Verona - Olang - Wandern so lang der Urlaub reicht

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Verona - Olang

Wanderungen

Anreise
Gemütlich sitzen wir im Zug auf unseren reservierten Plätzen. Schon ist die Arbeit in meinem Hirn etwas nach hinten verrutscht, ich freue mich auf den Urlaub. Ab Rosenheim durchfahren, diesen Genuss gibt es nun nicht mehr, zukünftig muss in Kufstein umgestiegen werden. Neue Regelung der Bahn. Seit geraumer Zeit schaue ich immer wieder auf eine links vor mir sitzende Italienerin, bin fasziniert von ihrem Gesichtsausdruck, total entspannt, immer lächelnd und hübsch obendrein. Auch im Schlaf hat sie eine glückliche zufriedene Ausstrahlung. Wie sieht es mit mir aus? Bin ich entspannt? Ja, schon auch, eine gewisse Vorfreude erfüllt mich. Ob man mir das ansieht? Verona ist erreicht, Dank GPS – ich hab´s wirklich ausprobiert – finden wir unser Hotel, nicht zu weit vom Bahnhof entfernt. Ab in die Altstadt. Zuerst hat es uns eine alte mächtige Festung angetan, von der aus wir durch malerische Gassen Richtung Zentrum marschieren. Ich empfinde Verona überschaubar, das macht es für mich sympathisch. Prunkvolle Häuser, Kirchen, die Arena, Ausgrabungen, die Geschichte von Romeo und Julia, alles sehenswert und zu Fuß gut zu erreichen. Der Rückweg, dem Ufer des Arno entlang bei Dunkelheit ist spannend, hier ist gute Orientierung gefragt. Wir schaffen es.

Verona   -  Ponte di Veja „Imposante Naturwunder“
                      
Es geht los, erst mal raus aus Verona. Über die Brücke des Arno, dann irgendwo schräg hinein in eine Gasse. Endlich finden wir die wenig befahrene Straße nach Avesa. Einmal kommen Zweifel ob wir richtig sind, doch alles passt. Also weiter in diese Richtung, später frage ich einen Weinbauern nach dem Abzweig zur Barogaschlucht, befürchte diesen übersehen zu haben, er kann mich beruhigen, "kommt erst noch, in ca. 500 Meter". Bald darauf stehen wir bei dem groß beschilderten Abzweig. Nur wenn es trocken ist sollte man die Variante durch die Schlucht gehen, steht in unserem Büchlein. Es ist heiß und trocken, also lassen wir die Teerstraße hinter uns und tauchen immer tiefer in den grünen Schlund ein. Urwüchsig ist alles um uns herum, der Pfad verläuft immer wieder mal in einem Bachbett und ist kaum zu finden. Die Richtung ist aber nicht zu verfehlen. Die feuchte Schwüle hier unten ist ein Paradies für allerlei fliegende Insekten, die sich auf einen stürzen, bleibt man stehen. So haben unsere Hände gut zu tun, die Plagegeister zu verscheuchen. Wände, links wie rechts, die wie gemauert erscheinen, führen steil nach oben. Das Sonnenlicht kommt nur spärlich zu uns durch. Nach ca. einer Stunde ist ein Kessel erreicht, aus welchem nur steile Eisenleitern führen. Welch eine Pracht rund herum, wir sind begeistert. Stufe für Stufe geht es rauf. Oben dann führt ein Pfad über Stiegen durch Wald, knapp neben einem Abgrund verlaufend weiter, bis wir schließlich Monteccino erreichen. Es ist ca. 1 Uhr, was machen? Hier bleiben oder das beschriebene Hotel Costagrande suchen, das ca. 2 km entfernt liegt, aber leider nicht auf unserer Route. Erst mal Pause, wir haben Hunger. In dieser halben Stunde die wir neben einer alten Gedenkstätte sitzen, offensichtlich am Dorfplatz, sehen wir keinen Menschen, nur ein paar streunende Katzen wuseln umher. Wir entscheiden uns weiter zugehen. Der Weg steigt ständig an und macht später den Blick sogar frei bis zum Gardasee. Vor ein paar Häusern bleiben wir stehen und bewundern deren Dächer. Die sind doch tatsächlich mit großen Steinplatten gedeckt. Was in der Region hergestellt wird, wird auch regional verwendet. Beim Weiterweg kommen wir oft an Steinbrüchen vorbei, die diese Platten wohl auch herstellen. An der Einfahrt eines Ferienhauses inspirieren uns bunte Figuren und Goethes berühmtes Gedicht "Mignon" – Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Goldorangen glühn, ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht, die Mirte still und hoch der Lorbeer steht? Kennst du es wohl? Noch ein paar Kilometer bis Ponte di Veja, ob die dortige Trattoria noch ein Zimmer für uns hat? Sie hat, was sind wir froh nicht mehr weiterlaufen zu müssen. Hier an dieser Naturbrücke, die natürlich groß vermarktet wird, erschrecken uns unzählige Autos, es geht zu wie im Taubenschlag. 17 Meter hoch und 50 Meter breit ist diese natürliche und sehr beeindruckende Felsbrücke, logisch dass sie viele Besucher anlockt. Das Trattoria lockt mit leckeren Speisen, eine gute Kombination. Eine Grillplatte für zwei Personen bestellen wir, haben ja einen Bärenhunger und der Ober bringt eine Fleischplatte die nicht einmal auf unserem Tisch Platz hat. Ein zweiter Tisch muss her. Irgendwie sind wir ratlos, haben wir das alles bestellt, oder ist es ein italienisches Missverständnis? Egal, wir hauen richtig rein und packen einige Stücke zur morgigen Pause ein. Der Ober ist verblüfft, sehr sehr gut gegessen meint er und bringt uns zur Belohnung ein Poster, eine Karte und ein Büchlein von der Gegend. Das alles sollen wir mitschleppen, denken wir uns, bedanken uns aber artig.

Ponte di Veja  -  Rif. Croce   „Menschen, Mangelware“
                                 
Der erste Wandertag war mit 26 km schon knackig, mal sehen was uns heute erwartet. Den Weiterweg habe ich gestern schon erkundet, er führt unter der Naturbrücke hindurch, durch dicht bewachsenen Wald hinab. Wasser stürzt weit von der Ponte herab und läuft über weitere Kaskaden nach unten. Der Weg schlängelt sich in vielen Serpentinen abwärts durch urwaldähnliches Gebüsch. Leider versperren hohe Bäume die Sicht zurück auf das gewaltige Naturereignis. Die Passstraße ist erreicht, welche wir nach einigen hundert Metern wieder verlassen, um im Wald ca. 600 Höhenmeter nach Erbezzo aufzusteigen. Kirchenglocken läuten die Mittagspause ein, ob die Geschäfte jetzt schließen? Nein, wir haben Glück, ein Laden hat bis 13:00 Uhr offen. Wir decken uns mit Brot und Obst ein und finden schließlich bei der Kirche ein gemütliches Plätzchen, sogar Stühle stehen hier. Heute kamen uns die ersten Wanderer entgegen die auf dem E 5 von Bozen nach Verona wandern,  es tut gut mit Leuten zu ratschen, wenn die Zeit auch kurz ist. Nach Erbezzo geht der Weg wieder steil hinab in ein Tal, um später wieder hoch zu führen. Wieder sind wir in üppiger Natur eingebettet. 6 Italiener/innen kommen schnatternd entgegen, die haben wir doch schon mal gesehen. Sie kehren von einem Rundweg zurück. Noch durch ein Dörfchen, lichter Wald, dann sind wir da. Rifugio Croce leuchtet es vom Schild herüber. Ein Zimmer für uns? Er mustert uns, meint mit eher ablehnendem Blick wir sollen warten, er müsse erst seine Frau fragen. Sie sagt schließlich, ja. Cappuccino, duschen, waschen, Eis essen, etwas rumschauen, dann ist es Zeit zum Abendessen. Satt und glücklich fallen wir ins Bett. Einfach gehen, bleiben wo man will ohne vorgebucht zu haben, einfach schön. Natürlich besteht ein kleines Risiko, einmal nichts zu bekommen und weitergehen zu müssen.
mm lecker!

Rif. Croce - Giazza    „einsame Hochebene“
            

Wieder ein sonniger Tag, mit 34 Grad so warm wie gestern wird es heute aber nicht, zu viele Wolken ziehen am Himmel umher. Ich bin neugierig auf Tinazzo und Zamberlini, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen sollen. Erstmal Schotterstraßen und schlechte Markierung. Bei einem Mahnmal (Kreuz vom 1. Weltkrieg) führt der Weg schließlich durch Wald und Wiesen, meist gesäumt von den schon besagten Steinplatten. Viele Kühe weiden in saftigen Wiesen, die haben´s gut. Immer wieder kommen wir an Marienbildern, Wegkreuzen und kleinen Kapellen vorbei. Zamberlini, dieser große Hof ist noch Intakt, Tinazzo nicht mehr, es verfällt nach und nach. Das stellt auch die Holländerin fest, die uns entgegenkommt. Sie hat sogar ein kleines Zelt dabei und schläft mitunter auf der Weide. Ein Problem drückt sie, keine Verbindung mit zuhause trotz Handy und das schon drei Tage lang. „Die werden sich sicher Sorgen machen", meint sie. In einem schattigen Waldweg werden wir von 6 schnatternden Italienern verfolgt, mal überholen wir sie, dann wieder umgekehrt. Ihnen gebe ich später die Schuld für unser verlaufen, sie hätten bei ihrer Pause die Markierung verdeckt. Jetzt brauchen auch wir mal eine Rast und danach passiert uns wieder ein Malheur, aber dieses mal finde ich für das Verlaufen keinen Schuldigen mehr, da waren wir eindeutig selber Schuld. Das ganze Stück was wir hochgelaufen sind, wieder zurück. Später dann verliert sich die Markierung in der Wiese, quer Feld ein, quälen wir uns hoch, wo Gott sei Dank wieder eine Straße verläuft und bald ein Wegweiser die Richtung anzeigt. Lange gehen wir durch einen schattigen Wald, bis der Weg schließlich über nicht enden wollenden Serpentinen nach unten führt. Wir sind begeistert über das Grün der Bäume und der Anlegung des Weges. Ein kleiner Tunnel geht durch den Fels, in Felsnischen sind viele Kerzen und Heiligenfiguren aufgestellt. Zum Gedenken wohl an tragische Erlebnisse. Ca. 800 Höhen- meter führt der Weg hinab, dann ist Giazza zu sehen, ein malerisches Städtchen, das sich zwischen den Bergen eingebettet hat. Die zimbrische Sprache soll hier noch vorhanden sein – vermutlich mit deutschem Ursprung – wobei die Herkunft vielen Gelehrten noch immer ein Rätsel ist. Wieder bin ich geschockt über die vielen Leute hier, Tourismus eben. Das Albergo liegt weiter oben erfahren wir, da wollen wir doch gleich in einem Laden für Morgen unsere Brotzeit einkaufen. Das Essen heute vom feinsten; Lachsforelle mit Pommes, Weißkraut und Bohnen. Mmm wieder lecker.

Giazza   -  Rif. Fraccaroli        „Suite auf dem Cima Garega“

Die erste große Bergetappe steht heute an, wir freuen uns darauf. 5 km geht es aber erstmal auf Teerstraßen dahin, bis ein riesiger Parkplatz kommt. Hier stehen ein paar Wohnmobile und es zeugen viele Feuerstellen von der guten Nutzung dieser schönen Landschaft – und das alles kostenlos. Den Naturpark Lessina hinter uns lassend, tauchen wir wieder ein in die Natur, bis zum Rif. Scalorbi begegnet uns kein Mensch. Die markant eingeschnittenen Schlucht links von uns wird immer enger, Felsstufen erleichtern das Vorwärtskommen. Eine große grüne Mulde tut sich vor uns auf, links oben zieht sich eine Forststraße hin, die von vielen Menschen begangen wird, rechts pfeift ein Murmeltier. Dieser Brocken ist gar nicht scheu und lächelt in die Linsen unserer Kameras. Fehlt nur noch, dass er die Hand aufhebt. 20 Euro zahlen wir für je eine Cola und Spagetti mit Fleischsoße, „die wissen was sie verlangen müssen“. Christa geht es nicht gut beim weiteren Anstieg, die rot-weisse Markierung ist weg. Ein Blick in die Karte zeigt aber, auch dieser Weg führt auf den Cima Carega. Wunderschön, blauer Himmel, weiter Blick auf die Berge und Täler. Der Steig ist schön dem Gelände angepasst und verläuft nicht zu steil zur Bocchetta Mosca, hier treffen wir auf den morgigen Abstiegsweg. Weite Kehren werden sichtbar, oft mit "Abkürzern" verbunden, dass tun wir uns aber nicht an. Ein älterer Wanderer mit nacktem Oberkörper und kaputten Schuhen (das Leder bröckelt), hat uns anschaulich gezeigt, dass man damit keinen Vorteil hat. Schritt für Schritt in gleichmäßigem Tempo steigen wir immer höher, unterbrochen nur mit gelegentlichen Fotostopps. Dann haben wir es geschafft, die Hütte ist erreicht. AufgerollterStachel- draht und Schautafeln erinnern an Kriegszeiten. Etwas deutsch spricht der Wirt, macht ihm auch Spaß. Ob er eine Suite hätte, frage ich, nach kurzer Überlegung lacht er und meint; "natürlich, folgt mir". Im Lager sind zweimal zwei Betten durch eine Schiebetür abgetrennt, eine davon ist unsere "Suite". Traumhaft, wir sitzen in der Sonne und genießen. Der aufkommende Wind tut uns noch nichts, wir beobachten wie sich der Horizont verfinstert. Beim Abendessen dann stürmt es richtig los, der Regen peitscht an die Fenster und der Wind pfeift um die Ecken. Es wird eisig kalt, jetzt möchte ich nicht mehr unterwegs sein. Sicher auch nicht die etwa 12 Italiener/innen die mit uns in der Stube sitzen. Erst am nächsten Tag denkt der Wirt ans einheizen, etwas sehr spät, aber mit Pulli und Strumpfhose hält man es schon aus....


Rif. Fraccaroli  –  Albergo Al Passo
    „jedes Kreuz ein Soldat“             

Den gestern vermiedenen Gipfelaufstieg, wir waren doch sehr geschafft und wollten auch nicht nochmal die Schuh anziehen, holen wir heute nach. Mit Stirnband und Handschuhen bewaffnet - es ist saukalt -, steigen wir bei traumhafter Sicht nach oben. Der Gardasee und Berggipfel so weit man sehen kann und dass ist sehr weit. Wie die wohl alle heißen mögen? Der Weg zurück führt wieder am steinernen Löwen vorbei, welcher von der Kriegszeit übrig geblieben ist. Zwischen Cima Carega und Monte Obante führt eine kleine Lücke durch die Felsbarriere, von hier führt der Abzweig zum Rif. Campogrosso, unser heutiges Ziel. Beim Übergang überraschen uns ein paar in den Fels gehauene Höhlen, es sind ehemalige Kriegsstellungen. Mich schaudert beim Gedanken an diese Zeit, noch mehr als wir beim Abstieg viele Steine mit rotem Kreuz sehen. Jeder dieser Steine bedeutet den Tod eines Soldaten. Der Abstieg hat es in sich, eine hohe Konzentration ist geboten, besonders die Kombi- nation von feinem Schotter auf Fels, will vorsichtig begangen werden. Ein riesiges langes Schuttkar führt neben dem Steig ins Tal, darauf zwei Männer. Der mit Stöcken tut sich leicht, der andere fällt immer wieder mal zu Boden. Das probiere ich auch, gedacht, getan. Ging auch ganz gut, solange tiefes Geröll da war, bei weniger tiefem ist "die Ausrutschgefahr" wieder höher. Es strengt aber auch sehr an und geht in die Knie. Kurz vorm Campogrossopass stehen wir wieder vor einem Felsengewirr, das im Kriege in die Luft gesprengt und zerbomt wurde. Am Pass wollten wir eigentlich eine Kaffeepause machen, aber; angeleinte Hunde jaulten und bellten ganz erbärmlich, während es sich die Herrchen gut gehen ließen. Aber auch die vielen Menschen hielten uns davon ab. Stattdessen suchten wir uns im Wald ein ruhiges Plätzchen und streckten uns auf der Isomatte aus. Hügeliges, mit Gras bewachsenes Gelände machte das Weitergehen zu einem Genuss, bevor wieder ein kleiner Bergkamm überschritten wurde. Gut in der Zeit, haben wir das Albergo am Fugazzepass für unser heutiges Nachtquartier erkoren. Dort angekommen machen sich gerade 12 Wander/innen (geführte Gruppe) auf den Weg. Gerade noch kann mir einer meine Frage nach dem woher und wohin beantworten, dann sind sie verschwunden. "Rif. Lancia bis Rif. Campogrosso" war die Antwort. Diese Route ist klassisch in meinem Wanderführer so eingetragen. Nur wir halten uns scheinbar nicht an die Regel, noch dazu gehen wir in die verkehrte Richtung.


Albergo al Passo   –  Rif. Lancia          „der Irrsinn des Krieges“              
Gleich gegenüber des Albergos und der Passstraße beginnt der Aufstieg. Meine Neugierde wächst mit jedem Schritt den wir nach oben kommen. Von Kavernen, Tunnels, Schützengräben und so weiter erzählt unser Wanderführer, aber auch von der Schönheit der Bergwelt. Dann sind wir auf der "Strada delle Gallerie", die Versorgungsstraße der italienischen Wehrmacht. 6 km lang, mit 52 Tunnels, 800 Höhenmeter verbindend. Die Tunnels mussten gebaut werden, weil die Österreicher die alten Versorgungswege wie zum Beispiel Strada degli Scarubbi zerbommt hatten. Was für Ausblicke, was für Kontraste. Im Schutzhaus Rifugio Achille Papa, in sehr spektakulärer Lage, stärken wir uns für den Weiterweg. Mit Stirnlampe erst im Berginneren, dann auf schmalem Weg den Abgründen entlang außerhalb des Berges, erkunden wir das Unglaubliche. Logisch, dass wir hier nicht alleine sind, viele Menschen wandern um das Gebiet am Monte Pasubio. Diese Zeit mit ihrem Greuel und den menschenverachtenden Geschichten darf nicht vergessen werden. Zu weit scheinen wir schon gelaufen, das Rifugio Lancia ist in anderer Richtung. Aber wo genau geht es weiter? Mit der Karte in der Hand stehen wir da und grübeln. "Die fragst Du aber nicht nach dem Weg", meint Christa, als ich einer kleinen Gruppe junger Menschen entgegensehe. Brauch ich auch nicht, sie bieten von selber ihre Hilfe an. Ein Mädchen spricht ganz gut deutsch, ein junger Mann zückt sein Smartphon, gibt Rif. Lancia ein und guckt auf die erscheinende Karte und meint auf englisch; "da müsst ihr rüber, ca. 2 ½ bis 3 Stunden bis zum Refugio“. Da ist sie wieder, diese selbstlose Hilfsbereitschaft, die uns auf unseren Wanderungen immer wieder begegnet. Lange zieht sich die Militärstraße den Berg hoch, immer wieder sind in den Fels geschlagene Kavernen erkennbar, Friedhöfe mahnen. Schützen- und Laufgräben erinnern an vergangene Zeiten. Dann stehen wir auf dem Dente Italiano, versehen mit zahlreichen Granattrichtern. Gemischte Gefühle durchströmen mich, die Schönheit der Landschaft, die bedrückende Geschichte. Der Dente Austriaco ist ca. dreihundert Meter Luftlinie entfernt, 2 ½ Jahre standen sich hier Soldaten kämpfend gegenüber. Sommer wie Winter, bei Hitze und Kälte, bis zu 60.000 starben durch Lawinen. Mit Stacheldraht umwickelte Kreuze erinnern an Gefallene. Gegenseitig wurde versucht sich in die Luft zu sprengen.  Zitat: Am 13.März 1918 war es dann so weit: Die österreichisch-ungarischen Kaiserjäger waren etwas schneller als die italienischen Alpini und zündeten 55 Tonnen Dynamit an der Nordflanke des Dente Italiano. Sie stürtze in sich zusammen und begrub Hunderte von Soldaten bis zum heutigen Tag. Aber die Italienische Stellungen konnten trotzdem nie eingenommen werden. Über diesen Wirrwarr aus Gestein und Fels steigen wir hinüber zum Dente Austriaco mit österreichischer Fahne. Ein langer Panoramaweg führt uns auf einer Höhe zwischen 1900 und 2100 Metern  mit  abschließendem Abstieg zum Rifugio Lancia (1825). Vier deutsche Wander/innen sitzen mit am Tisch beim leckeren Abendbrot. Wie häufig üblich in Berghütten gibt es ein "Einheitsessen", sehr lecker und ausgiebig. Wen wunderts, die vier laufen auf dem E 5 Richtung Verona. Eine Bamberger Gruppe soll unterwegs sein, wird uns erzählt.

Rif. Lancia  –  Rif. Coe      „plastische Sprache“                
Auf das gestrige Abendrot folgte eine klare Nacht, die jetzt um 8:30 noch keine warmen Temperaturen zulässt. Aber wir sind ja ausgerüstet. Es gefällt uns loszulaufen, wenn noch Nebel und Dunst aufsteigt, die Luft klar und rein ist. Ein stetes auf und ab, mit immer wieder wechselnden schönen Landschaftselementen hält uns bei Laune. Eine Frau kommt und will uns was sagen, als wir sie nur hilflos anschauen, wird ihre Sprache "plastischer". Sie sagt "aqua, aqua und mäh, mäh", wir glauben ver- standen zu haben. Und richtig, bei der Schafherde die bald kommt, ist eine Wasserstelle. Auf der Hochebene scheinen wir grenzenlos frei zu sein. Wiesen, Blumen, Sträucher und rund um uns herum Berge. Über uns blauer Himmel über den weiße Wolken ziehen. Hier schmeckt es noch mal so gut. Ein oranger Punkt entpuppt sich als Iglozelt, dass ein Schäfer aufgeschlagen hat. Hunderte von Schafen weiden hier oben, etwa ein Dutzend Esel begleiten uns ein Stück zur Wasserstelle, erreichen diese aber lange vor uns. Die Hirtenhunde könnte man wirklich mit Wölfen verwechseln, die Wanderin gestern hat uns nicht belogen. Auf dem Abstieg zum Borcolopass, bleibe ich plötzlich stehen. Da hat sich doch was vor mir bewegt. Der Weg ist von der Sonne beschienen. Ich schaue etwas genauer, wirklich, eine Schlange mit gezacktem Rücken hat sich hier gesonnt. Steil führt der Pfad hinab, eine kurze Seilsicherung bietet Schutz. Auf der anderen Seite des Passes, geht es ebenso steil wieder hinauf. Eine Bank zum hinsetzen wurde aber nicht gefunden. Nach einiger Zeit haben wir die Höhe von vorher überschritten und blicken staunend auf die Hochfläche mit den vielen Schafen hinüber. Wie weit man trotz gemächlichen Schrittes doch kommt. Auf schmalem Pfad wird der Monte Buso umrundet, immer wieder unter ausgesprengtem Felsen gehend. Der Blick ins Tal ist überwältigend. Das Gipfelkreuz könnte zum Monte Maggio gehören denke ich, wohl noch eine ½ Stunde bis dorthin. Wieder Schützen- und Laufgräben auf dem Gipfel des Berges, auch dieses Stück gehört zum Friedensweg, der die Front des ersten Weltkrieges kennzeichnet. Ein älterer Italiener sucht das Gespräch mit mir, etwas sehr wenig englisch, ein bisschen italienisch und deutsch. Wir verstehen uns trotzdem. Einige "Werke" und "Ex-Fort" gibt es in dieser Gegend, die Gesten mit "Schießen und Kriegsmaschinerie bauen" versteht wohl jeder. Der Abstieg ist gemächlicher als der Aufstieg, lange führt eine Militärstraße ins Tal. Skipisten und Lifte zeugen von Zivilisation und Vermarktung. Den E 5 hatten wir irgendwo verloren und so suchen wir den richtigen Weg. Die Autos fahren nach rechts oben, also müsste der Coepass rechts sein, ist meine logische Schlussfolgerung. Nach etwa einem km ist das Rifugio erreicht. Eine Menge Deutscher sitzen und reden im Speiseraum, als wir frisch geduscht eintreten. War da nicht etwas mit Bamberger Gruppe? Tatsächlich, sie sind von Bozen in nur 7 Tagen bis hierher gedüst, der Begriff düsen ist richtig. Ca. 35 km und das jeden Tag in den Bergen, das muss ich nicht haben. Die Gruppe ist verwundert, das wir von ihnen erfahren haben, sie hätten ihren Trip doch geheimgehalten. Tja, sagen wir, die Buschtrommeln funktionieren halt auch in den Bergen. Einer der Gruppe erzählt immer, "das Stück auf dem Adlerweg hat mir besonders gut gefallen". Adlerweg? Der geht doch nicht bis nach Italien! Erklärung; er hat die schwarz abgebildete Taube – Markierung des Friedensweges – als Adler gesehen. Der Leiter dieser Gruppe – Alpenverein Bamberg – träumt vom Einzug in die Arena von Verona im nächsten Jahr. Dieses Jahr sei leider schon wieder Schluss.


Rif. Coe –     Carbonara/Lusern   „im Land der Zimbern „                     
Auch hier am Coepass beeinträchtigen Schneekanonen und Liftstationen die Landschaft. Das Gebiet haben wir aber schnell verlassen. Ein einsamer Pfad führt uns beschaulich durch hügeliges Gelände über Wiesen und durch Wälder. Eine Wanderin kam uns entgegen, bepackt mit Isomatte und wohl auch Zelt. Mehr als "guten Morgen" war aber nicht drin. Überwiegend absteigend wandern wir dahin zum Fort Verle, eines der 7 Festungen, dass vor dem ersten Weltkrieg gebaut wurde, welches wir auch besichtigen. Einiges ist schon kaputt gebomt, trotzdem bekommt man einen guten Eindruck, was für ein Bollwerk dieses Fort einmal war. Meterdicke mit viel Eisen durchsetzte Betonmauern, schmale, dunkle, feuchte und bedrückende unter- irdische Gänge. Ganz gezielt angebrachte Stellungen mit Geschützen, die die Gegend zusammen mit weiteren Fort`s abriegelten. Gut beschrieben die Geschütze die hier zum Einsatz kamen. Natürlich ist auch die Lage strategisch gut gewählt. Später steigen wir weiter ab nach Carbonara. Ein Geschäft schließt gerade als wir eintreten wollen, dann gehen wir halt in ein nahes Cafe. Wir sind unschlüssig was wir weiter tun. In meinen beiden Wanderführern ist von einer Weiterfahrt mit dem Bus nach Lusern die Rede. Nicht unbedingt unser Ding. Doch hingehen? Der Blick in die Karte zeigt ein Wirrwarr an Straßen und Wegen. Zum Rifugio Monterovere weitergehen? Erscheint uns zu weit. Gleich bis Caldonazzo? Dann hätten wir auch knapp 35 Kilometer wie die Bamberger. Nein das wollen wir nicht. Ich frage den Wirt wann denn ein Bus nach Lusern gehen würde, ich hatte gehört, nur Früh und Abends. Die Antwort ist: 13:37 Uhr gleich da oben bei der Kirche. Wir haben noch eine halbe Stunde Zeit, die Entscheidung ist gefallen. Wir fahren doch mit dem Bus. Lusern ist eine der bekanntesten und am besten erhaltenen deutschen Sprachinseln der Zimbern in Oberitalien. Viele sprechen hier deutsch, in den Kriegen wurden viele Bewohner ausgesiedelt, bekamen bei der Rückkehr aber ihren Besitz zurück. Das Pilgerrifugio wäre noch etwa 5 km entfernt, wir aber wollen in diesem Dorf bleiben und quartieren uns privat ein. Bei der Suche nach dem morgigen Weiterweg sind wir – die eigentlich etwas relaxen wollten – 1 ½  Std. unterwegs. In der Info kaufe ich eine Karte, der Besitzer wird auf uns aufmerksam und fragt nach dem wohin und woher. "Wenn ihr schon soweit gegangen seit und aus Deutschland kommt, lade ich euch zu einer kostenlosen Besichtigung meines Museums ein". "Ich habe es erbaut, damit diese schlimme Zeit des Krieges nicht in Vergessenheit gerät", erzählt er uns. Wir nehmen an, eine halbe Std. haben wir noch Zeit bis zur Schließung. Beschrei- bung über das Geschehen, strategische Überlegungen, Mitteilungen über die Anzahl der Toten, Vermissten, Gefangenen, kurze Filme vom Kriegsgeschehen, Bekleidung der Soldaten, Kriegsmaterial usw. ist ausgestellt. Einen besonders erschütternden Eindruck hinterlies jedoch folgender Spruch: "Mit langsamen Schritten drehte ich meine Runde  und beobachtete den mit Sternen übersäten Himmel und unter ihnen sah ich auch jene die wir bei uns kennen; da sagte ich vor mich hin, oh ihr Sterne, ihr die meine Heimat sehen könnt, überbringt meiner Frau und meinen süßen Kindern einen Gruß des Trostes aus diesen fremden Ländern und sagt ihnen, dass ich hier stehe und euch ansehe während in der Luft das zischen der Kugeln zu hören ist". Aus dem Tagebuch eines an der Ostfront vermissten Trentiner Soldaten (Monument der Portèla, Trient)



Lusern  –  Levico Therme  „ein Bett im Farn“                        
Gestern als wir aus dem Museum zu unserem Quartier gingen, wollte ich noch schnell einen Weg erkunden. Christa dagegen meinte, nein für heute reicht es, sie gehe aufs Zimmer. Eine halbe Stunde war ich unterwegs, dann muss ich mich beeilen, pechschwarz ist der Himmel geworden und Donner ist zu hören Aber halt der kleine Lebensmittelladen hat noch auf, ob Christa in auch entdeckt hat? Egal, Obst und Süßigkeiten gekauft. Natürlich ging Christa am Laden nicht vorbei, sondern dachte wie ich. Da kam einiges zusammen!! Ein Gewitter kühlte die schwüle Luft herunter und es hat saftig gerieselt. Direkt am Haus führt der E 5 weiter. Die Sonne lacht schon wieder vom Himmel, der Tag wird prächtig. Den breiten Weg den wir betreten, kennen wir von gestern, das gibt Sicherheit. Ein Mann kommt uns entgegen, wir grüßen auf italienisch. Am Tonfall erkennt er scheinbar unsere wahre Identität und verwickelt uns in ein Gespräch, das noch einige Zeit in uns nachwirken sollte. "Ich war schon einige Zeit in Deutschland, genauer in München und Passau mit meinem Vater. Ich kenne Bayern ganz gut, das ist sehr schön. Trotzdem zieht es mich aber immer wieder hierher. Diese Gegend, diese Leute hier, das ist meine Heimat. Trotz der Geschichte, oder gerade wegen ihr“, erzählt er uns. Weiter sagt er: „Ich schätze Leute wie Euch, die offen sind, sich für die Welt interessieren und bescheiden bleiben". So was aus dem Munde eines 70 jährigen Mannes irgendwo auf einem Fußweg in Italien zu hören, hat uns schon sehr erstaunt. Viele Schilder und Abzweigungen stiften etwas Verwirrung, wohin denn jetzt. Die Karte raus und nachgeschaut, hier oder da, vieles ist möglich. Das geht so an die zwei drei mal, dann entscheiden wir, auf einem alten Pfad mit noch älteren Holzschildern zum Rifugio Monterovere abzusteigen. Wir haben eine gute Wahl getroffen, wenn es vielleicht auch ein Umweg war. Von hier führen drei Wege nach Levico; der Kaiser-Jäger-Weg immer wieder auf Teerstraßen der schnellste, der Steig über die Val Scura Schlucht mit ausgesetzten Stellen und Drahtseilhilfe, oder der E 5 durch die Valle Pisciavacca, den wir schließlich wählen. Die Schlucht erscheint uns aufgrund des gestrigen Regens zu gefährlich. Erstmal Pause, aber wo? Die einzige Bank die wir sehen steht auf eingezäuntem Privatgrund, also weiter und einfach an einer schönen Stelle unsere Isomatten ausgerollt und sich gemütlich gemacht. Ein vorbeiziehender Münchner sieht uns erst gar nicht, so sind wir vom Farn und anderen Sträuchern eingebettet. Ein schnelles „gemütlich, gemütlich“ murmelt er und geht weiter. Wir  genießen noch einige Minuten. (Später sehen wir beim weitergehen eine kleine Kapelle mit Sitzplatz). Macht nichts denke ich, das daliegen war sicher entspannender. Bald kommen wir zu unangenehmen Schotterwegen, bloß nicht ins rutschen kommen. Der Wald wird lichter und gibt die Sicht frei, herrlich. Der Caldonazzo See und der Levico See leuchten im schönsten Blau. Dort unten pulsiert das Leben, hier fühlen wir uns entrückt von der Emsigkeit und Hektik der Täler, obwohl sie nicht weit weg sind. Unten angekommen laufen wir nach Gefühl weiter, wir haben wieder mal die Markierungen verloren. Dabei muss eine Schnellstraße überquert werden, vor uns wollen das auch zwei Radfahrer. Die Frau ist drüben, aber er, ein älterer Herr tut sich schwer und schon quietschen die Reifen. Puh, das war knapp. Es wird Zeit wieder einmal einen Obsttag einzulegen. So schlendern wir in das gemütliche kleine Kurstädtchen und genießen die entspannte Atmosphäre. Bei der Kirche spielt eine Band, trotz drohender Gewitterwolken bewegen sich viele Leute auf den Straßen. Levico Therme ist eine Partnerstadt von Hausham am Schliersee, verrät uns ein Schild. Ein weiteres Schild erzählt, dass Bonaparte hier mal geschlafen hat.

Levico Therme –  Rif. Serot          “schmerzlicher Abschied”                       
1000 Höhenmeter warten auf uns beim Aufstieg nach Vertiola Therme. Nach Teerstraßen wird später ein wunderbarer Waldweg daraus. Der Nebel und die mächtigen Laubbäume rund herum lassen uns den Tag nicht erkennen. Es ist dunkel, gespenstisch, die Stille trägt das ihre dazu bei. Oben beim Cappuccino hat uns die Wirklichkeit wieder eingeholt. Der Nebel kommt und verzieht sich, mal wird hier eine Bergspitze frei, mal dort. Ein Naturfilm läuft vor uns ab. Dann eine Entscheidung die mir nicht leicht fällt, der E 5 wird hier verlassen. Von der ausgezeichneten Beschilderung haben wir sehr profitiert, die wird uns fehlen. Wir wandern rechts Richtung Dolomiten, während der E 5 übers Fersental nach Bozen weiterführt. Besonders die Etappe über den Gronlait und Monte Frafort zum Rifugio Sette Selle, hätten mich inspiriert aber; a) für den heutigen Tag wäre es viel zu lang und b) sollte die Tour nur bei trockenem Wetter begangen werden. Auf zum Friedensweg, der ja bisher schon teilweise identisch mit dem E 5 war. Beschilderung dieses Weges entweder eine gelbe Taube, schwarze Taube oder das Kürzel von "Sentiero della Pace" SdP, nur zwei davon sollten wir heute sehen. Enttäuschend und ärgerlich, wenn Markierun- gen fehlen weil sie mutwillig kaputt gemacht wurden. Ein junger Mann kommt uns entgegen, spricht uns auf englisch an und fragt nach dem Weg. Er ist Deutscher und meint, er hätte sich mit seiner Freundin beim Aufstieg nach Vertiola Therme total verirrt, sie würde weiter unten auf ihn warten. Glück gehabt, wir kommen gerade von dort oben, er ist auf dem richtigen Weg. Bis zu der Stelle wo seine Freundin wartet, gehen wir gemeinsam bergab. Die beiden bedanken sich noch einmal recht herzlich, wir wünschen uns gegenseitig alles Gute und weiter geht es. Immer der Teerstraße lang, mehr ab als auf, laufen wir dahin, die Sicht wird besser, die Sonnenstrahlen bleiben immer länger an uns hängen. Insgeheim hoffe ich weiter gehen zu können als zum Rifugio Serot, bis sich der Weg wieder zu einem steten auf und ab entwickelt. Um 16:30 bin ich dann doch froh das Rifugio zu erreichen und nicht weitergehen zu müssen. Eine wunderschöne Hütte, alt und neu passt super zusammen. Die drei Mädels und der junge Mann die es bewirtschaften machen einen guten Job. Nett, hilfsbereit und gute Küche. Wir gehen noch mal raus und ich mache Bilder vom Monte Frafort und dem Gronlait, sie gehen mir nicht aus dem Kopf. Christa beruhigt mich; den E 5 gehen wir schon noch mal....

Rif. Serot   –  Rif. Ruscoletta    “Liegestuhl und Schlafsack”                     
Es regnet als wir aufstehen. Komischerweise beruhigt mich das, zumindest im Hinblick meiner Wunschetappe (hätte, wäre, aber). Eine willkommenen Abkürzung durch einen wunderschönen rein gewaschenen Zauberwald und ein übergroßes Christus- kreuz aus einem kaputten Baum geschnitzt, lässt die Teerstraße vergessen, auf die wir leider, viel zu schnell wieder zurückkommen. Campestrini, dort soll ein Rifugio sein, ich habe Hunger und träume von Debrezinern und Sauerkraut – wohl wissend - das gibt es hier bestimmt nicht. Bei einer Bank ziehen wir uns um, Brotzeit machen wir noch nicht, wir wollen ja ins Refugio. Ein komisches Dorf mit verworrener Wegführung. Erst finden wir die Hütte nicht und dann verschmähen wir sie. Also steigen wir mit leerem Magen den immer steiler werdenden Berg hoch. Und meckern etwas später, dass nichts kommt zum hinsetzen. Eine Lichtung mit Sonne, na also geht doch, raus mit den Isomatten und unseren Hunger gestillt. Wieder mal keine Menschenseele weit und breit. Taktische Überlegungen lassen uns heute im Rifugio Ruscoletta übernachten. Manche Wegstrecken von Hütte zu Hütte sind sehr weit und gehören gut geplant. Nette Leute, die Seniorin spricht etwas deutsch, später kommt auch der Wirt zum Plausch, er hatte früher in der Schweiz gearbeitet. Den späten Nachmittag nützen wir faul auf der Terrasse, eingemummt in unsere Schlafsäcke im Liegestuhl. Daneben Cappuccino auf dem Tisch. Haben wir ein Leben....

Rif. Rusoletta - Rif. Carlettini      „Komfort  gegen Gemütlichkeit?“                      
Einen Abschied per Handschlag erleben wir nicht alle Tage, diese Herzlichkeit wärmt. Das können wir heute brauchen, viele Wolken lassen nur wenig Sonne durch, im Schatten ist es saukalt. Die heutige Etappe ist unspektakulär, muss es auch nicht immer sein. Wie schon die letzten Tage treffen wir auf keine Menschen. Wir freuen uns an der Natur und dem Wasser, das in vielen Kaskaden neben uns herunterplätschert. Das 2006 noch geschlossenen Rifugio Carlettini ist komplett neu erbaut und dementsprechend groß und modern, mit ausgezeichneten sanitären Anlagen. Ob dadurch Flair und Gemütlichkeit verlorenging, wie es bei manchen Berghütten der Fall ist, wissen wir nicht. Erholung gehört dazu, der Akku wird wieder aufgetankt, morgen steht eine 8 Stunden Tour an.


Rif. Carlettini - Caoria           „Wasser für die Blumen“                    

Noch etwas unsicher wo eine Übernachtung heute Abend möglich ist, bitte ich die Wirtin nachzufragen, ob in Caoria eine diesbezügliche Möglichkeit besteht. "Ja" ist ihre Antwort und ich bin froh, das macht die weitere Planung leichter. Obwohl der Weg im Wald verläuft, ziehen wir nach einem halben Kilometer die Regenkleidung an und schützen unseren Rucksack, es regnet doch mehr als angenommen. Bänke und Tische stehen hier, auf einem ein Glas mit Blumen, Christa macht ein Bild davon, es ist ihr eigenes Geburtstagsgeschenk. Asphaltsträßchen wechseln sich mit Abkürzungspfaden ab, bis uns ein Wegweiser steil nach oben leitet. Serpentinen über Serpentinen. Der Wald lichtet sich, beim Blick zurück liegt der Nebel unter uns. Nach den Almwiesen auf denen uns mehrere Esel begrüßen, steht die Malga Conseria. Hier hätten wir auch übernachten können, zeigt ein Schild am Eingang an. Große Eisenkreuze auf steinernen Sockeln stehen neben dem Weg welcher hochführt zum Passo Cinque Croci. Oben erkenne ich zwei Radler die bald darauf winkend abfahren. Schließlich sind auch wir bei dem auffälligen Kreuz, welches sagen will, dass sich hier fünf Gemeinden treffen. Der Blick rundherum ist überwältigend, es ist warm und klar geworden. Die Palaberge tun sich vor uns auf und rechts von uns erhebt sich ein Bollwerk von Gipfeln; Cima Orsera, Cima Quarazza, Cimon Rava, Cima Segura und mit 2847 Meter der Cima d `Asta als höchster im Bunde. Mein Herz lacht, ich bin glücklich, ein wunderbarer Höhenweg hier oben. Leider laufen wir die Forststraße weiter und trauen uns nicht den Pfad linker Hand zu nehmen. Der hätte auch zum Rifugio Refavaie geführt und wäre bestimmt nicht so langweilig gewesen. So ist es, erst himmelhochjauchzend, dann zu Tode betrübt – na ja, so schlimm war es auch nicht! Ein Cappuccino, dann auf Asphalt weiter nach Caoria, eine kleine verschlafene Stadt. Am Rand steht ein Brunnen, in der Nähe ein Albergo. Gibt es hier auch einen Laden? Ich erkundige mich, aber ohne Rucksack. Gibt es und somit Obst zum Abendessen. Christa erzählt mir; „während Du weg warst, kam eine alte Frau zu mir, sie hatte mich von ihrem Liegestuhl aus schon immer beobachtet. Mit zwei Eimern in der Hand und dem Vorwand Wasser für die Blumen zu holen. Erst auf Italienisch, dann in Englisch wollte sie in Wirklichkeit aber nur wissen, was ich hier so treibe. Zwei Rucksäcke sind schließlich sehr verdächtig. Als ihr Wissensdurst gestillt war, ging sie ohne Wasser wieder zurück".


Caoria - Passo Rollo    „auf einsamen Pfaden“              

Der Mann der aus dem Auto steigt sagt das gleiche, wie die Frau vorher im Ort; "puh, da habt ihr heute eine lange Tour vor euch". Auf alten Steinplatten steigen unsere Füße gemächlich nach oben, froh diesen uralten Weg gefunden zu haben. Immer wieder stoßen wir auf die Teerstraße, welche in großen ausladenden Serpentinen verläuft. Gut dass wir nicht dort laufen müssen. An einer Weggabelung treffen wir auf 6 Radler/innen, eine geführte Tour. Freuen uns wieder in unserer Landessprache sprechen zu können – in dieser abgeschiedenen Gegend ist deutsch, Mangelware. Christa geht dann links weiter, während ich meine Jacke ausziehe. "Halt rechts geht´s rüber", rufe ich, sie hört mich nicht. Der Blick in die Karte zeigt, auch links kom- men wir ans Ziel, ein Friedenswegzeichen werden wir aber nicht finden. So orientieren wir uns an den Namen "Bus di Sotto", "Malga Valzancetta" und "Forcella Valzanchetta". Wieder ein Weg wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Wir steigen höher und höher, in wunderbarer Landschaft, irgendwann verblüfft mich ein Motorengeräusch, ein Flieger? Nein, auf diesem holprigen Weg kommt tatsächlich ein Kradfahrer daher – keine Motocrossmaschine! Wasserläufe werden gequert, die Fels- gipfel der Lagoraikette treten immer größer und imposanter hervor. Die Alm ist erreicht, langer Stall und ein in der Mitte des Dachstuhls eingeknicktes Haus, eine Lawine? Schafe mit ihren frisch geborenen Kindern erfreuen uns. Weiter hoch, immer weiter, sehr nass und schlüpfrig ist es hier, auch das wird überwunden. Dann endlich stehen wir auf 2251 Meter und genießen wieder einmal diese unglaublichen Momente, der Blick in ein neues Tal, in eine völlig neue Bergwelt. San Martino grüßt aus dem Tal, darüber die ganze Gebirgspracht. Eine schroffe Felszenerie die gen Himmel ragt, die Paledi San Martino. Das zu sehen ist die Belohnung für unsere Mühen. Wer rauf geht, muss auch wieder runter, der sehr nasse Pfad wird weiter unten zur Skipiste, die unangenehm steil wird. Der Friedensweg ist wieder da und führt mit der Markierung Nr. 10 zum Rifugio Colbricon. Bis dahin ist aber noch ordentlich zu laufen. Noch eine Scharte, hinüber zum See, auf der anderen Seite steht das Rifugio. Es wird gerade rausgewischt, die Frage nach einer Übernachtung wird verneint. Diese Hütte hat keine Betten, nur Gastronomie. Was ich da wohl wieder gelesen habe. Noch knapp eine Stunde zum Passo Rollo und ins erste Hotel, es ist spät genug.


Passo Rollo - Passo Pellegrino
     „Gipfel versus Passo“             

Das deutsche Ehepaar aus Remmingen hat uns gestern beim Abendessen schon Gesellschaft geleistet. Sie sind neugierig auf unsere Erlebnisse, sie wandern selber gern. Passo Rollo, im Wanderführer steht: Weiterfahrt mit Bus zur Statione Forestale. Das gefällt uns gar nicht. Recherchen in der Karte haben mich eine andere Möglichkeit finden lassen, auf die ich stolz bin. Nach der Panoramastrecke "Campigolo della Vezzana, führt der Weg 749 zum Passo Valles und mündet in den Dolomiti 2. Dieser bringt uns weiter zum Passo Pellegrino. Packen wir´s an, Abkürzer (keine Verbotenen – meine Frau würde schimpfen)  bringen uns der Traumstraße näher, manche sind sehr steil. Die Sonne sendet ihre Strahlen durch den aufsteigenden Nebel, und lässt die Bergriesen mystisch erscheinen. Die Speicherkarten unserer Fotoapparate werden voll und voller. Trotzdem lässt sich nicht alles so einfangen, wie man momentan fühlt. In einem See spiegelt sich die Baita Segantini, die Wiesen blühen in voller Pracht. Auf dem breiten schottrigem Spazierweg der über viele Serpentinen abwärts führt, tummeln sich eine Menge Leute. Weiter unten in einer breiten Senke plätschert ein Bach in vielen Kehren gemächlich dahin. Auf den saftigen Weiden grasen eine Menge braun gelber Kühe. Die geben sicher eine gute Milch. Ein entgegenkommender Passant ruft, "schau Jakobspilger", er hat unsere Muscheln am Rucksack entdeckt. Ich kläre in auf, dieses Stück Weg gehört zur Gesamtstrecke Rom -  Wasserburg. Der Abzweig ist erreicht und gleich ist es ruhiger, wir sind wieder alleine unterwegs. Eine Notunterkunft steht am Wegesrand, der Blick hinein bestätigt meine Ahnung. Warum können manche Leute ihr Gerümpel nicht wieder mitnehmen? Wir stehen auf der Forcella die Venegia auf 2373 und sehen runter zum Passo Valles. Der gut angelegte Steig bringt uns später zu gewaltigen Murenabgängen, der Weg ist aber schon wieder hergerichtet oder umgeleitet. In der nahen Kapelle wird es Zeit mal danke zu sagen. Danke, für das bisher erlebte und dass wir ohne Blessuren durchgekommen sind. Dann erst gibt es Kaffee und Strudel. Ein paar Tropfen fallen vom Himmel, umziehen brauchen wir uns aber nicht beim Weiterweg. Der Himmel ist bewölkt, die meisten Bergspitzen aber frei. Rechts vorne kann ich die Civetta ausmachen, auf diesem Band müsste die Tissihütte stehen. Erinnerungen zu unserer Venedig Wanderung werden wach. Und jetzt steigen wir hier herum. Geradeaus, rechts oder links, das ist die Frage. Am Wegweiser deutet ein Zeichen zu einer Alpenvereinshütte, aber ohne Zeitangaben. Oben auf dem Berg ist ein Gebäude zu erkennen. So entsteht die Idee, es könnte die Alpenvereinshütte sein Also links weiter, gesagt getan, rauf zum Col Margherita. Ein gutes Stück Arbeit. Das Gebäude entpuppt sich als Liftstation, sonst ist nichts zu sehen. 5 Italiener kommen gerade vom Gipfel herunter, ich frage nach dem Rifugio. Die Karten raus, reinge- schaut, hin und her überlegt, dann die Antwort: "hier leider nicht, ca. 2 Stunden weiter hinten, oder wieder absteigen bis zur Scharte". Jetzt wo ich meine Karte genauer ansehe, leuchtet mir mein Fehler ein, das Rifugio ist am Passo Pellegrino, nicht auf dem Berg! Jetzt um 16:30 noch ganz absteigen? Nein, wir nehmen die letzte Talfahrt. Für mein Gewissen; dieser Aufstieg war genauso lang wie der verpasste Abstieg und sicher anstrengender, also sind wir quitt! Menschenmassen über Menschenmassen als wir die Gondel verlassen. Der schiere Wahnsinn. Was soll das, was bedeutet das, heute ist Freitag. Wir fürchten um eine Unterkunft und doch, im Hotel Cristallo ist was frei, sogar mit Sauna. Eine unscheinbare ältere Dame wird auf uns aufmerksam, wie wir da so stehen mit unseren Rucksäcken, "Domire?" fragt sie Christa; "Ja, bitte". "Uno Momento", und weg ist sie, dafür kommt ihr Sohn, der Besitzer.


Passo Pellegrino  -     Rif. Contrin   “chatten statt sprechen”                      
Die gewaltige Menschenmenge gestern hat mich veranlasst das nächste Quartier reservieren zu lassen, welches am Marmolada liegt, das Rifugio Contrin. Da wussten wir noch nichts von der Ursache der Völkerwanderung, ein Open-Air Konzert mit zwei bekannten italienischen Sängerinnen sei gewesen, erklärte der Wirt nach Befragung. Traumwetter und warme Temperaturen lassen uns fröhlich los marschieren, wieder eine selbst gewählte Strecke, entgegen unserem Wanderführer. Eine Forststraße führt nach Fuchiade, in diesem kleinen gemütlichen Ort war gestern das Konzert. Die Lage dazu ist einmalig, ein weites Tal, umringt von Bergen. Überhaupt dieser Ort, ob beim Brunnen, der Kapelle, an jedem einzelnen Gegenstand, kann man die Liebe zum Detail erkennen. Dann beginnt der Pfad, erst in Wiesen, bald danach den Felsrand erreichend. Schotter und nochmals Schotter, in weiten Kehren geht es nach oben. Mal grobe Steine, mal feine, ich weiß nicht was besser ist zu gehen. Einige Leute kommen entgegen, manche überholen uns. Auch zwei jüngere Italiener, die sich die ganze Strecke über angeregt unterhalten, die müssen Puste haben. Gemächlich den Berg hoch, gemütlich, nicht eilig, Schritt für Schritt. Für wen eigentlich? Für mich, Körper, Geist und Seele kommen dabei zur Ruhe. Der Schritt wird automatisiert, die Augen nehmen wahr. Diese ganze prächtige Kulisse, die Farben, das Tal das immer weiter wird. Die Berggipfel die immer näher kommen. Nach weiteren Serpentinen im Geröll stehen wir schließlich oben, Forcella Cirelle, 2683 Meter. Die Pause ist wohlverdient. Ich aber bin unruhig, habe noch nicht genug, noch weiter hinauf? Es wären Wege vorhanden, aber geht es sich von der Zeit her aus? Umwerfend diese Atmosphäre hier oben, diese karge Vegetation, von dort drüben leuchtet es weiß herüber – der Gletscher - , aber es ist zu weit. Christa ist schon beim Abstieg, ich wurstle noch im Rucksack rum, plötzlich Bremsgeräusche. Tatsächlich ein Biker, ich glaub´s nicht. Weit kann er aber nicht gefahren sein. Später sehen wir in noch weiter oben, sein Rad´l tragend. Feines Geröll auf glattem Felsen fordert erhöhte Vorsicht. Neue Aussichten werden frei, dort hinten, das könnte der Sella- stock sein. Verrostete Blechdosen, Stacheldraht und Kreuze erinnern auch hier an alte Kriegszeiten. 2 Bergsteiger  kommen von unten entgegen, gleich müssten sie wieder sichtbar werden, ich hör was rumpeln, was war das? Kurz darauf wissen wir was es war, ein dickes Schneebrett, zwischen Felsen gelegen, ist beim besteigen abgebrochen. Wir, die gerade darauf gehen, überlegen wie am besten runterzukommen ist. An die Kante gesetzt, brr. kalt und runter gesprungen, ist doch ganz einfach. Weiter unten plötzlich Schreie, ein Kind ruft, wir verstehen Papa, Papa. Entwarnung, keine Gefahr, der Papa turnt in den Felsen herum und der Sohn sieht in nicht. Die weitere Familie hat es sich auf einer Decke gemütlich gemacht. Rifugio Contrin, viel zu früh sind wir angekommen – wir haben ja reserviert. Ein weitergehen nach Penia wäre schon noch möglich gewesen, der Nachteil einer Reservierung. Aber, schönes Zimmer, gutes Essens. Unterhaltung? Wenig. Eine "Engländerin?" kann ihren Laptop nicht einmal beim Essen ausschalten, mit der rechten Hand schiebt sie die Nudeln in den Mund und mit der linken muss sie ständig chatten, zwei 4 er Gruppen sind mit sich selber beschäftigt.
PS. zweimal flog ein Hubschrauber ins Marmoladagebiet.

Rif. Contrin    - Pieve di Livinalongo “unbekannter Glücksweg”
                    
Kühe begrüßen uns, sie haben ihre Jungen dabei. Ich merke schon denen sollte man nicht zu Nahe kommen, die Mütter stellen sich schützend vor sie. Eine gesunde frische braune Farbe haben alle, denen geht´s gut. Erst wandern wir gemütlich die Forststraße entlang, bis dann rechter hand ein Steig steil hinab führt. Beim Blick auf die Sella rätsle ich, ob das Haus dort oben das Rifugio Van der Wil am Bindelweg sein kann, auch eine Etappe des Weges von München nach Venedig: Heute am Fedaia See kreuzt sich ohnehin der Weg mit dem von vor zwei Jahren. Bis wir das Rifugio Castiglione (damalige Übernachtung) erreichen, ist viel Wald zu durchqueren, lange Zeit an einem idyllischem Bach entlang. Den Riesen Marmolada ständig vor Augen ist auch noch ein Anstieg von etwa 400 Höhenmetern zu bewältigen, zum Schluss an einem schön angelegten Kreuzweg. 12:30 Uhr, gerade recht zum Mittagessen. Zu unserem Tisch gesellt sich ein Motorradfahrer mit seiner Frau, eindeutig bayerische Töne. Sie sind aus Rosenheim. Berti und Bärbl unsere damaligen Begleiter, schicken wir eine SMS. An meinem Geburtstag wieder an der Stelle von damals zu sitzen ist gut getimt. Ich freue mich auf den Aufstieg Richtung Monto Padon, wir genießen die traumhafte Sicht zum Marmolada, der über dem Fedaia See trohnt. Hoch droben, gerade noch nicht von aufziehenden Wolken verdeckt, die Seilbahnstationen über dem "ewigen" Eis. (Auch hier schmilzt der Gletscher). Oben ange- kommen ist guter Rat teuer, wo geht es runter. Ich frage eine Gruppe Radfahrer, einer kann uns Tipps geben. Den Bikern gehen wir gerne aus dem Weg, als sie in halsbrecherischem Tempo vorbei sausen, nur zwei Mädeln haben etwas "Respekt" und eine verbremst sich leider. Dann werde ich irgendwann ärgerlich, ständig wechselt die Wegnummer, 698 sollen wir gehen, 699 heißt es immer wieder. Dieser führt aber nach Arabba und da wollen wir nicht hin. Immer weiter und weiter geht es berg- ab, dort drüben wieder hoch? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, ich will ja nicht auf den Passo Padon (2309 Meter). Querfeldein über Wiesen, einen Hügel hoch, dort sehe ich einen Karrenweg der in einem Wald verschwindet. Das probieren wir, die Richtung stimmt. Christa ist nicht begeistert. Keinerlei Wegweisung über zwei Stunden. Nur gehen und gehen, Gott sei Dank keine Sackgasse. Die Richtung weiß ich, stimmt. Das andere ist auch Glück, tatsächlich nach extrem steilem Abstieg wieder auf die richtige Fährte zu stoßen. Pieve steht auf einem hölzernen Schild, ich atme durch. 18:00 Uhr ist es mittlerweile und Pieve noch ein Stück entfernt, aber der Kirchturm ist bereits sichtbar. Es liegt ein Bach dazwischen, was einen erneuten Abstieg und natürlich drüben einen Aufstieg bedeutet. Trotzdem – obwohl beide schon kaputt – wird nicht lamentiert, sondern noch die Natur bewundert. Herbstzeitlose so weit man sieht. Dann ist es geschafft, ein Albergo gibt es in Pieve di Livinallongo; heute Ruhetag. Heute an meinem Geburtstagssonntag. Klopfen, keiner hört, außen rum, private Glocke, Sprechapparat, der Hausherr kommt, wir werden aufgenommen. Sehr herzlich bietet uns die Hausherrin noch eine Gemüsesuppe und eine kalte Platte an. Vielen Dank.


Pieve   -   Rif. Col Gallina        „überfüllter Lagozuai“
                   
Col die Lana, Monte Sief, im Buch des Friedensweges beschrieben, lasse ich sausen. Das wäre heute noch mal eine sehr anspruchsvolle Tour und mein Wunschziel Rifugio Lagazuoi noch nicht mal erreicht. Wir gehen Richtung Castello, dann Falzarego Pass. Die Dolomiten sind einfach ein Genuss, ich kann mich kaum satt sehen, erst ruht der Blick auf den Wänden der Civetta die sich vor uns aufbauen, links davon der Monto Pelmo, nicht minder mächtig und dass bei strahlendem Sonnenschein und tiefblauem Himmel. Irgendwann tauchen wir in einen Wald ab, von der Forststraße zweigen Steige ab. Nicht unser Tag heute, zweimal kehren wir reumütig wieder um. Erst ist der Steig nicht richtig, dann die Forststraße. Schließlich stehen wir doch beim Castello und bewundern die alten Mauern, rein können wir aber nicht. Wir freuen uns wieder einen Steig gefunden zu haben, die Markierungen führen über nasse Wiesen nach oben, dann in den Wald und weg sind sie wieder. Umkehren tu ich gar nicht gerne, also schlage ich mich quer Feld ein nach oben durch und habe Glück bei einer Kehre des Passes herauszukommen. Rucksack abgeschnallt, meine Frau gesucht und auf Teer weitermarschiert. Ein paar Kehren und wieder – diesmal aber überschaubar – einige Abkürzer. Passo Falzarego, das ist er also, Parkplatz, Liftstation, Hotel und ein Cafe das dermaßen voll mit Antiquitäten und sonstigem "Gerümpel" ist, dass wir rückwärts wieder raus gehen. Lieber keine Kaffee als hier bleiben. Den Weg gesucht, ein paar "Wurzelseppen" fotografiert, der Aufstieg kann beginnen. Kehre für Kehre geht es nicht zu steil nach oben. Meter für Meter gewinnen wir an Höhe, zum Vergleich sind hier viele Leute unterwegs. Ausgerechnet jetzt muss Christa pinkeln, weit und breit keine Möglichkeit sich zu verstecken, was tun? Schnell, momentan sind keine Leute in Sicht, also Hose runter, unterm bieseln biegt eine große Gruppe Leute um die Ecke. „Wasserhahn“ zu, Hose provisorisch hoch, so tun als würde sie fotografieren. Husten oder Lachen darf sie jetzt nicht. Gott sei dank ist die Gruppe vorbei, Wasserhahn wieder auf. Die Bergkulisse um uns herum wird immer imposanter. An der Forcella Lagazuoi – 2571 Meter - bleiben wir stehen und blicken ehrfürchtig in die Runde. Dann halten wir uns links, Richtung Rifugio, das noch ca. 250 Meter höher liegt. Ein eisiger Wind lässt uns bald Handschuhe und Stirnband anziehen. Der Felsen links vom Aufstieg ist ausgehöhlt. Stellungen wurden in den Fels geschlagen. Die Menschenmenge macht mich unruhig, ob da oben eine Übernachtung möglich ist? Ich werde schneller, nicht noch überholen lassen. Die Hütte ist erreicht, einige stehen an und fragen. Die Antworten alle gleich; "reserviert?" Ja. „Ok, bitte da rüber.“ Ich bin an der Reihe; "Reserviert?" Nein. "Tut uns Leid, alles bis zum geht nicht mehr ausgebucht". "Was tun?" frage ich, "runter fahren und unten was suchen oder weitergehen, die Bahn schließt um 17:00 Uhr". Schock, Christa kommt gerade und ich winke ab, sie versteht sofort. Während ich noch Bilder mache, ruft sie mich; "komm, die Bahn fährt gleich!" Ja wirklich, kurz vor 17:00 Uhr. Unten angekommen sind wir erst mal ratlos, ein Schild, Bett in 2 km Richtung Valparola Pass. Mir ist das zu weit. Christa schlägt schon die Richtung dazu ein. Eine Hütte mit Klettersetverleih, ich frage und habe Glück, die Frau versteht deutsch. Richtung Cortina käme ein Rifugio, sagt sie, ca. 500 Meter. Es werden ein bisschen mehr, aber egal, wir bekommen ein Quartier. Überteuert und die schlechtesten Betten – "Hängematten" - auf dem ganzen Weg. Ja hier können sie das verlangen, stellen wir sauer fest. Der Abend wird aber gemütlich, mit einem Kletter- pärchen und vier kernigen Wanderern, gibt es lebhafte und lockere Gespräche. Hatten wir schon lange nicht mehr.

Rif. Col Gallina   - Rif. Pederü                 „unnötiger Abstieg“                

Was tun, fragten wir schon gestern Abend, hier das ganze abbrechen, oder einfach weitergehen, wohl wissend dass die Hütten Lavarello und Fanes schon überfüllt sind? Noch mal in die Karte geguckt, Pederühütte ca. 2 Std. weiter als Fanes, müsste machbar sein, denke ich. Der Wirt ruft an und wirklich, die haben noch was! Das schlechte Gefühl ist erstmal weg. Dann schauen dass wir die erste Bahn nach oben kriegen, schaffen wir. Zapfig, aber wunderschön, wieder stahlblauer Himmel. Abstieg zur Forcella und wieder etwas zurück, nicht Weg 20 a ist unserer - das ist ein Klettersteig - sondern 20. Ja, ja wenn man die Karten nicht lesen kann...  Stetig geht`s bergab, gut zu gehen, das man im Schotter aufpasst versteht sich von selber. Ein Pärchen kommt entgegen, kurzer Ratsch, der lang und länger wird. Zum Schluss noch die Mitteilung der Übergang über die Forcella di Lago sei gesperrt, Erdrutsch. Wir müssen wohl oder übel über das Rifugio Scotoni absteigen und später wieder hoch. Na Mahlzeit, wo der Weg so schon lang genug ist. Ein überaus steiler Weg führt zur Hütte hinunter, erhöhte Vorsicht. Unten gönnen wir uns eine herzhafte Mahlzeit und fragen die Wirtin, wie lange der Übergang denn schon gesperrt ist. 1 Monat ist die Antwort, wir schauen uns verdutzt an und sie spricht weiter, "Ihr hättet schon drüber gehen können, ist schon wieder gespurt, Sicherheitshalber ist das Schild halt noch angebracht". Ein schwacher Trost. Noch mal 300 Höhenmeter runter zur Caspanna Alpina, um dann wieder 600 rauf steigen zu müssen. Genug gehadert, wenn man so was macht, muss man auch mit solchen Dingen rechnen. Und ist bisher nicht alles blendend gelaufen? Der Dolomiti 1 hat uns wieder, zäh war der Aufstieg bei dieser Hitze, jetzt aber führt der breite Weg in dieser Hochebene fasst schon wie eine Autobahn dahin, wunderbar zu laufen in wunderbarem Gebiet. Jetzt kann ich verstehen, warum hier so viele Leute sind. Nicht nur Wanderer wie wir, auch für Biker ist dass ein Eldorado. 4 Radler kommen entgegen, bitte ein Bild von uns machen vor dieser prächtigen Kulisse, tun wir gerne und werden im Gegenzug auch abgelichtet. Der Limosee ist da, auf der Karte sind nicht zu weit weg die Refugios Lavarello und Fanes abgebildet. Ich kann sie nirgends sehen. Später weiß ich warum, sie sind weit unten in einem Tal neben dem Vigiliobach eingebettet. Die Faneshütte ist ja riesig, irgendwie schon zu groß, unpersönlich, ein Cappuccino muss aber sein. Jetzt um ca. 16:45 Uhr begehen wir wieder die Schotterstraße, die schon sehr steil zu dieser Hütte geführt hat. Von 10 Bikern, sind höchstens 2 hochgefahren, alle anderen mussten schieben. Ein paar davon lagen oben entkräftet am Straßenrand. Jetzt ist es flacher, weiter unter dann wechseln wir auf einen Abkürzer, der sich wunderschön durch die Landschaft windet. Wo ist Pederü? Fragen wir uns, um dann endlich an einer Kante stehend das Rifugio noch weit, weit unten zu erblicken. Rechts die Forststraße die sich in vielen Kehren hinunterschlängelt, hier der doch wieder sehr steile schotterige Steig. Ein komisches grüngrau hat hier der Untergrund, Licht und Schatten zaubern vielfältige Farben. Eine noble Unterkunft, gutes Essen, zwei geführte Radlergruppen sind mit uns im Speisesaal.


Rif. Pederü -   St. Veit           „Telefon oder Megafon?“
         

Die Kehren, teils asphaltiert mit Querrillen weil sie so steil sind, haben wir gestern Abend schon gesehen. Die steigen wir heute morgen nun hoch, einige Leute kommen schon entgegen, Frühaufsteher die wohl im Rifugio Fodara-Vedla oder aber auch in der Senneshütte übernachtet haben. Letztere nützen wir so nach 2 Stunden für ein kühles Cola, das gibt Kraft. Eine Variante bringt uns durch eine mondähnliche Landschaft immer weiter dem Seekofel entgegen. Wir bewundern die neuen schräg gestellten Felsformationen und mächtigen Wände. Über dem Grün einer Wiese ragt ein diamantenähnlicher bombastischer Berg, das könnte der Monte Cristallo sein denke ich und habe recht. An der Forcella Sora Forno ist viel Platz für eine verdiente Rast, den Seekofel schenke ich mir, wohl wissend, die zwei Std. würden hinterher fehlen. Nicht, das er mich nicht reizen würde. Auch hier herrscht reger Verkehr, der Pragser Wildsee – noch ca. 3 Std. entfernt – ist eben ein Touristenparadies. Es hilft nichts, wir müssen weiter und wenn es hier in der Sonne noch so schön ist. Über grobes Geröll steigen wir ab, gelangen später in einen Kessel und passieren eine Wand die mit Ketten gesichert ist. Wir und das Pärchen das gerade herauf- kommt können uns da gut festhalten, aber nicht der Hund den die beiden mitführen. Der tut sich etwas schwerer, er wird geschoben und gezogen. Ein Mann aus Neumarkt St. Veit verwickelt uns in ein Gespräch, es geht über Fernwandern und die besten Urlaubszeiten. Als er sagt; "das können sich nur Paucker leisten, wissen wir, er ist in einem Schulberuf tätig". "Meine Familie ist heute mit dem Auto schon nach Hause gefahren, ich will noch auf den Seekofel steigen. Hinterher fahre ich mit dem Motorrad heim" erzählt er weiter. Riesige Geröllfelder, abgeschwemmt bis ins Tal, queren wir immer wieder, unten leuchtet uns das Grün des Sees entgegen. Unsere Knie jammern und sind froh endlich unten angekommen zu sein. Eingegliedert in die Menschenmassen marschieren wir Richtung Hotel und trinken in den Nähe gemütlich Kaffee. Ca. 45 Minuten entfernt ist St. Veit, da gibt es sicher was zum schlafen für uns, hier ist es uns zu unpersönlich. Noch ein schöner Marsch durch einen Wald, dann beim ersten Hotel anfragen. Nein, alles voll ist die Antwort, das gleiche beim zweiten und beim dritten. Weiter Richtung Ortschaft. Bei der Eggerstube schließlich haben wir Glück, wir bekommen ein Zimmer das sonst wohl ein Familien- angehöriger hat. Vier Familien sitzen beim Abendbrot, zweimal Italiener, zweimal Deutsche. Erst spricht jeder nur für sich. Dann beginnt es; ein Handy bimmelt, lautstark wird angenommen. Sagenhaft wie die Frau in das Telefon brüllt. Der deutsche Gast sagt gerade so laut das ich es hören kann; "das ist ein Telefon und kein Megafon". Ich kann mich vor lachen kaum noch halten, nur es soll nicht auffallen. Das andere italienische Pärchen telefoniert und SMS`t das ganze Abendessen über und von wegen junge Leute, nein aufgetakelte Leute zwischen 50 und 60 Jahren. Die Reserviertheit des deutschen Paares verliert sich, nachdem die Italiener den Speiseraum verlassen haben, wir reden über Gott und die Welt.


St. Veit -   Olang            „Achtung Gefahr!“           

Hier keinen selbstgemachten Speck mitzunehmen, wäre eine Sünde. Da es der letzte Tag ist, ist das auch kein Problem. Christa wollte schon noch weiter. Um bis ins Ahrntal zu kommen, sind noch 3 Nächte notwendig, rechne ich ihr vor. Dann ist erst am Sonntag die Heimfahrt möglich. Zu spät um noch regenerieren zu können. Anfangs ist der Weg noch angenehm, an einem Bach entlang und über Teer einen der Hügel hinauf. Im Dorf dort oben zweigt ein Wald und Wiesenweg ab, noch mal die Pracht von gelben Blumen überall. Die Beschilderung wird spärlich, den Höhenweg weiter oder zum Hof hinab? Wir gehen oben weiter, auch weil ein Hund dort unten ständig bellt. Weiter und weiter und der Weg zieht sich immer höher hinauf, keiner- lei Schilder. Doch wieder umkehren, obwohl uns das gar nicht freut. Der Hof kommt näher, der Hund auch. Wild bellend versperrt er den Weg, wir müssen aber da durch. Es scheint niemand da zu sein, darum wohl auch das aggressive Verhalten des Hofhundes. Ganz vorsichtig, ruhig und so unaufgeregt wie möglich gehen wir am zähnefletschenden Ungetüm vorbei, unsere Stöcke sind ein guter Schutz. Puh, geschafft, so etwas hatten wir schon lange nicht mehr. Die Straße, der Weg wird eben und immer langweiliger. Auch der Olanger See heitert uns nicht besonders auf. Ich kann mich zwar erinnern hier schon mal vorbeigekommen zu sein, damals als wir mit unserem Sohn nach Venedig geradelt sind. Olang ist erreicht, unsere Körper rebellieren schon, das Hirn hat gesagt, letzter Tag. Die Muskeln stellen sich schon auf Erholung ein. In Mittelolang steigen wir schließlich in einen Bus ein der uns zum Bahnhof nach Bruneck bringt. Was noch fehlt für die komplette Tour; Mittelolang bis Rasen-Antholz, Rasen-Antholz bis Riesenferner Hütte, Riesenferner Hütte bis Rein in Taufers, Rein in Taufers bis St. Jakob im Ahrntal. Zwei Stunden Aufenthalt bei Franzensfeste, geschafft und genervt suchen wir einen Laden, Proviant gekauft für die weitere Zugfahrt, das Obst essen wir gleich. Im Zug sitzen wir auf Klappstühlen im Gang, da er übervoll ist. Erst in Innsbruck wird es bequemer, um 21:30 schließlich, sind wir zu hause.


373  Kilometer und 20120 Höhenmeter


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