Tegelberghaus - Krankenhaus - Wandern so lange der Urlaub reicht

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Maximiliansweg 2021

Ziehe gerade meinen rechten Socken an und schaue zufällig rüber zu Christa, die mir im Stockbett schräg gegenüber sitzt / liegt. Was hat die denn für eine komische Körperhaltung denke ich mir. Irgendwie verkrümmt nach hinten liegend. Schaue nach und merke, sie ist nicht mehr ansprechbar, hört mich nicht. Ein quälendes Luftholen erschrickt mich noch mehr. Bringe sie in Seitenlage, ich sehe einen Kaugummi zwischen den Zähnen, schnell rausgepullt, ein weiteres „Luftholen“. Halbnackt runter gerannt, die Tür zur Küche ist am nächsten, Eintritt verboten ignoriert, Tür auf, weit hinten stehen Leute. „Hilfe“ rufe ich als sie mich bemerken und drehe schon wieder um. „Was ist los“ höre ich. „Meine Frau“ und schon bin ich wieder auf dem Weg nach oben. Rat`s fat`s ist auch der Wirt da und ein junges Mädchen, das sich später als Medizinstudentin herausstellt.

Bis ich schauen kann, ist ein Finger von Christa angestöpselt (Sauerstoffsättigung) und mit vereinten Kräften hiefen wir meine Frau auf den Boden. Während der Wirt (auch bei der Bergwacht) schon mit der Reanimation beginnt, höre ich gleichzeitig aus den Funkgeräten Stimmen. Wo ist das? Lager Tegelberghaus, wer? 60 jährige Frau, Hubschrauber? Ja, aber schlechte Wetterlage, Tegelbergbahn? kommt auch ein Notarztteam. Noch ein Mann scheint zugegen, nach 30 mal „pumpen“, zwei mal Beatmung mit einem Beatmungsbeutel und schon geht es weiter. Ich höre ihn „Defi“ rufen, „wo bleibt der Defi“!

Die Medizinstudentin löst den Wirt ab, dieser kümmert sich um den gebrachten Defibrillator. Zwischenzeitlich wurden auch die behindernden Kleidungsstücke entfernt, der Defi angebracht, ich höre „weg vom Körper, keine Berührung“! Liege angespannt auf dem Bett, dann der erste Impuls, weitere Reanimation, nochmal Defi, Reanimation, Defi zum dritten, Reanimation. Beim vierten ansetzen gibt der Defi Entwarnung. Sie ist wieder da, hat überlebt! Wirklich? Ja, stellt sich später heraus. Zwischenzeitlich kamen die Notarztteams an. Christa wird in den größeren Gang gezogen, Infusionen gesetzt. Fragen nach Herzerkrankungen gestellt und sonst was.

Während des ganzen war ich beschäftigt mit packen, was brauchen wir unbedingt? Alles in einen Beutel. Die Medikamente von Christa fallen mir ein, krame sie aus dem Rucksack und überreiche sie den Ärzten. Nach vergeblichem suchen nach meinem 2. Socken zog ich mir zumindest die Hose an. Mein Angebot zu helfen (reanimieren) wurde abgelehnt. Sie waren ja zu zweit und man weiß ja nie, wie Angehörige in extremen Situationen reagieren.

Noch einige Zeit „arbeiten“ sie an Christa, zur besseren Sicht reiche ich ihnen die Stirnlampe. Der bärtige „Kellner“ ist jetzt auch zugegen, er soll sich um mich kümmern, mich ablenken. Damit kann ich erst mal gar nichts anfangen. Später reift der Gedanke, wir könnten ja unsere Rucksäcke packen. Alles was so rumhängt – ob trocken oder nicht – nehmen wir ab und stopfen es in die Rucksäcke. So sind wir beschäftigt und damit abgelenkt.

Die Trage wird geholt, Christa hineingelegt, festgezurrt und dann die Treppe runter gebracht. Sie wird mit dem Hubschrauber ins Tal (Klinik Füssen) transportiert, ich fahre in Begleitung von zwei Leuten der Bergwacht und einem Mediziner mit der Bahn runter. Renne noch mal nach oben, haben wir etwas liegen gelassen? Nein, ich kann nichts finden.

Ich betrete die Gondel, der Bahnbedienstete fragt ganz leise, „hat sie überlebt?“ Ich nicke nur, weis nicht wo ich gerade mit meinen Gedanken bin. Die zwei von der Bergwacht bringen mich mit ihrem Fahrzeug zum Klinikum, wo mich Irene Epple in Empfang nimmt. Sie kümmert sich im Sinne einer Krisenintervention um betroffene Angehörige, eine tolle Frau. Später kommt noch ein Mann der Bergwacht mit dazu.

Daten werden aufgenommen, Familienverhältnisse und nach Erbkrankheiten gefragt. Alles was ich oben beschrieben habe erzähle ich wieder und wieder. Wann und wie sollen unsere Kinder informiert werden? Eine Ärztin kommt, klärt auf, sie haben eine Herzkateter Untersuchung gemacht, kein Infarkt erkennbar. Als nächstes wird die Lunge untersucht. Ob meine Frau Stress hatte, sie können sich nicht erklären woher dieses Herzrasen plötzlich kam. Ich erzähle die Sache mit der Arbeit. Und vor kurzem die Sache, ob sie sich vorstellen könnte, die Klasse zu wechseln. Solche Wanderungen ist Christa ja gewohnt, eigentlich können wir beide schon am zweiten Tag abschalten. Uns auf die Wanderung, auf das Schöne konzentrieren.

Die Ärztin kommt wieder, „keine Lungenembolie erkennbar“, sagt sie und verbreitet etwas Optimismus. „Sie wird nun in ein künstliches Koma gelegt und der Körper auf 35° herabgekühlt, um die Gehirnströme zu schonen“, erklärt sie.

Die Zeit vergeht wie im Fluge. Jetzt wo sich die Lage stabilisiert hat, zwei schwerwiegende Dinge ausgeschlossen sind, kann ich daran gehen die Kinder anzurufen. Den ersten den ich erreiche ist Alexander. „Mama ist im Krankenhaus“, die Stimme stockt, die Augen tränen. Erst nach einer Weile kann ich weitersprechen. „Kein Bergunfall, irgendwas mit dem Herzen“, dann wird es flüssiger und ich kann die ganze Geschichte erzählen.

Bei Stefanie und Adrian ist es gleich, Irene und der Mann von der Bergwacht verlassen derweil den Raum. Gleich morgen wollen Stefanie und Alexander kommen, mir ein paar Dinge bringen, vor allem aber das Auto.
Übernachten kann ich heute in einem Hotel ganz in der Nähe, zwischenzeitlich werde ich hochgefahren um einzucecken. Kurz vor 22.00 Uhr kommt die Ärztin wieder, weis ich will Christa noch sehen bevor ich ins Hotel gehe. Nur mit Test darf ich in die Intensivabteilung. „Das darf doch nicht wahr sein“, meint die Ärztin, „aber das haben wir gleich“. Fort ist sie und kommt bald darauf mit einem Test zurück. Negativ, natürlich. Werde gewarnt vor den vielen Schläuchen mit denen Christa „angezapft“ ist und vor der kühlen Körpertemperatur. Ergreifend sie so liegen zu sehen und doch auch voller Hoffnung das alles gut wird.

Um halb elf werde ich zum Hotel gefahren. Liebes Kriseninterventionsteam, vielen, vielen Dank, ihr habt mir sehr geholfen! Wecker gestellt und ins Bett. Zum trinken und ein paar Brote bekam ich schon in der Klinik. Irgendwie und irgendwann werde ich auch mal geschlafen haben.


04  02.08.2021  Montag


Das Frühstück ist lecker, es ist ein Buffet aufgebaut, Maske ist Pflicht, ebenso Einmalhandschuhe. Kann das Frühstück genießen, obwohl mir natürlich etliche Gedanken durch den Kopf schwirren. Gehe anschließend zur Rezeption und frage nach, ob ich noch zwei Tage länger bleiben darf. Ok, das geht, ich muss aber in ein anderes Zimmer umziehen, das ist um 10 Euro teurer, aber auch um einiges größer, wunderbar. Das erledige ich gleich, habe bis 10:00 Uhr Zeit.

Dann das Krankenhaus aufgesucht, der Test von gestern Abend gilt noch bis heute Abend. In die Intensivstation darf ich jederzeit rein, natürlich nur angemeldet. Die bekannten Sachen (Handschuhe, Mütze und Kittel) angezogen und rein zu meiner Frau, die ja im künstlichen Koma liegt und zudem ihr Körper auf 35° heruntergekühlt ist.

Fühle mich schon etwas hilflos, einfach nur dazusitzen und nichts tun zu können. Das Personal wirkt schon beruhigend auf mich ein, „es ist alles in Ordnung mit ihrer Frau“, wird mir gesagt, „die Untersuchungen ergaben keinen Befund eines Herzinfaktes oder einer Lungenembolie“.

So gegen 14:30 Uhr erwarte ich Stefanie und Alexander, die mein Auto bringen. Sie haben es sich nicht nehmen lassen, schon heute nach Füssen zu kommen. Wohl wissend, Mama kann noch nicht besucht werden, nur eine Person darf am Tag zu ihr und das bin ich.

Sie sind natürlich auch in großer Sorge und wollen Informationen aus erster Hand und denken natürlich auch an mich. Gut das ich jetzt ein größeres Zimmer habe. Einige Sachen haben sie für mich und Mama eingepackt, haben ja nur unsere Wandersachen da. Nicht nur Kleidung, auch Getränke, Essen, süßes und so weiter. Danke schön, kann ich wirklich gut gebrauchen.

Ursprünglich war mein Plan, mit den beiden mit nach Hause zu fahren, bestimmte Sachen zu packen und mich von Adrian wieder nach Füssen fahren zu lassen. Das wäre aber Stress pur gewesen, 2 ½ – 3 Stunden muss man für eine Fahrzeit rechnen, da hätte ich Christa heute Abend auch nicht mehr besuchen können. So ab 20:00 Uhr habe ich mit dem Krankenhauspersonal ausgemacht, komme ich heute noch einmal. Gehe mit Tochter und Sohn in die Fußgängerzone von Füssen, dort ist einiges los, wenn auch ab und zu Regentropfen vom Himmel fallen.

Essen ein Eis und trinken Kaffee. Schade das Adrian nicht mit dabei ist, denken wir alle drei. Unsere Familienbande ist durch Mamas plötzlichem Herztod (und dessen ungewissem Ausgang) noch enger geworden.

Zurück im Hotel, die „Kinder“ sind wieder auf dem Nachhauseweg, gucke ich erst mal wo es eine Teststation in Füssen gibt. Zwei werden angezeigt, in meine Wanderapp eingegeben und schauen was am nächsten liegt. Sogleich mache ich mich wieder auf den Weg.

Die offene Kirchentür lädt mich ein ihr Inneres zu betreten, die Gelegenheit eine Kerze anzuzünden und um Beistand zu bitten. Unglaublich was ich da für eine Kraft gefunden habe, meine Ängste wesentlich kleiner wurden.

Bei der Stadt-Apotheke steht der Teststand, ca. 10 Minuten vom Hotel entfernt. Mir fällt ein ich habe nichts zum lesen, außer unserem Wanderführer, der mich aber jetzt gar nicht interessiert. In dieser Stadt wird es doch wohl einen Buchladen geben denke ich mir und mache mich auf die Suche.

So begebe ich mich in alle möglichen Gassen, dabei fällt mir eine Pizzeria auf, mit sehr schönem Ambiente, etwas abseits des großen Trubels. Eine Bücherei entdecke ich erst als ich schon fast aufgegeben habe, nicht weit weg vom Teststand, aber halt die „andere“ Seite. Darf noch rein obwohl die Besitzerin gerade schließen will und in 3 Minuten habe ich „Mensch Erde!“ von Dr. Eckhart von Hirschhausen erworben. Zurück ins Hotel, ein paar der leckeren Sachen (Obst) verzehrt, dann auf ins nahe Krankenhaus.

Eine Schwester bringt einen Stuhl, trägt in am Bett vorbei und kollidiert leicht mit diesem. Für einen kurzen Moment öffnet Christa die Augen. Ich weise die Schwester darauf hin und diese meint: „ja das ist normal, sie sei ja nur leicht sediert, da ist es schon möglich das man Sachen mitkriegt“.

Mich stimmt das positiv und konzentriere mich die 1 ½ Stunden die ich im Zimmer bin auf mögliche Zeichen in Christas Gesicht. Bin wesentlich gelöster als heute Vormittag, erzähle alles Mögliche, man glaubt gar nicht was einem da alles einfällt. Zwischendurch piept da mal ein Gerät, mal da, was Krankenschwestern oder -pfleger dann bald in Ordnung bringen. Morgen wird es spannend, sie wird „aufgeweckt“. Langsam die Temperatur wieder angehoben und die Sedierung „ausgeschlichen“. Ich werde angerufen wenn ich kommen kann.

Obwohl ich hundemüde bin, lese ich noch im neuen Buch – wirklich interessant – das lenkt doch etwas ab.

05  03.08.2021  Dienstag

Wecker gestellt auf 06:30 Uhr, ich will um 07:00 Frühstücken um dann zeitig die Teststation aufzusuchen. Es stehen nicht viele Leute an, die 15 Minuten Wartezeit bis das Ergebnis ausgespuckt wird, nütze ich um gleich einen Termin für morgen zu vereinbaren. Test Negativ, das ist gut.           

Banges warten auf den Anruf aus dem Krankenhaus. Die Zeit überbrücke ich mit Telefonaten und E-mail schreiben. Muss ja alle für unseren Wanderweg vorgebuchten Übernachtungen absagen / stornieren. Das sind 20 Absagen. Wegen Corona und der Haupturlaubszeit haben wir sämtliche Übernachtungen vorgebucht. Zwischenzeitlich bekomme ich eine Nachricht vom Tegelberghaus, ein Handy ist in der Hütte gefunden worden. Es ist das von Christa, komisch denke ich mir, ich habe doch alles abgesucht.
„Schickt es mit der Seilbahn runter zur Talstation, dort hole ich es bei Gelegenheit ab“, vereinbare ich mit den Wirtsleuten. Heute haben sich Irene und Willi, Schwägerin mit Mann, angesagt. Sie kommen mit ihrem Wohnmobil.

Gegen 10:00 Uhr der Anruf aus dem Krankenhaus, „bin schon unterwegs“, höre ich mich heute noch sagen.

Ein banger Blick ins Zimmer, ins Bett, auf Christa, sie sieht mich, erkennt mich!!! Freudentränen!!!

Setze mich zu ihr, lache, weine und erzähle. Sie hört mir zu, weis nichts, auch nicht warum sie hier ist. Überhaupt ist alles so weit weg, so fern. Glücklich sind wir trotzdem. Sie erschrickt wenn plötzlich Piepgeräusche der medizinischen Geräte ertönen, sieht dann staunend und fragend um sich, „was ist da los?“

Erstmal eine Rund-Whats-App an die Familie, alle sind ja gespannt wie es Mama geht.

„Text: Hallo, eine gute Erstmeldung an alle. War gerade 2 Stunden bei Mama. Das Aufwachen verlief laut Arzt sehr problemlos. Hat mich gleich erkannt, spricht, hört, und kann die Dinge auch einordnen. Natürlich ist sie noch relativ schwach.“

Dann erst telefoniere ich alle nacheinander ab. Irene und Willi sind da, bringen mir die von Alexander gepackte Tasche mit, ich hatte noch einige Wünsche. Besonders was warme Kleidung betrifft, es ist saukalt und das im August. Weiterwandern wäre bei diesem Wetter wahrlich kein Vergnügen gewesen, in den Bergen hält sich der Regen. Die nächsten 3 Übernachtungen wären auf Berghütten gewesen.

Auch die beiden sind natürlich sehr betroffen über dieses Geschehnis, aber auch froh über das Glück, eine derart funktionierende Rettungskette vorzutreffen. Sie fahren und holen Christas Handy bei der Talstation der Seilbahn und suchen sich später einen Stellplatz für die Nacht, ich mache mich wieder auf den Weg ins Krankenhaus. Vereinbaren, am späten Nachmittag  zusammen in „meine“ Pizzeria zum Abendessen zu gehen.

Christa ist etwas frischer als am Vormittag, kann kaum glauben als ich ihr von Alexander und Stefanie, bzw. von Willi und Irene erzähle. Der Oberpfleger kommt ins Zimmer und berichtet über den Stand der Dinge, auch was die ungefähre Dauer des Krankenhausaufenthalts betrifft. So verlängere ich meinen Aufenthalt im Hotel noch mal zwei Nächte. Sein Telefon klingelt, es ist der Notarzt, welcher den Einsatz auf dem Berg geleitet hat. Er will mit Christa sprechen.

Ob sie denn damit einverstanden wäre, wenn er einen Artikel in die Zeitung tut, welcher über den vorbildlichen Einsatz informiert. Ist sie natürlich. Der Arm von Christa mit dem Telefon zittert schon, ich stütze ihn und denke, „jetzt darf er aber bald aufhören“. Von diesem Telefongespräch weis Christa später nichts mehr.

Um 17:00 Uhr mache ich mich mit Irene und Willi auf in die Fußgängerzone. Das Handy haben sie bekommen, als ich das Ladekabel daran sehe, dämmert es mir. Christa hat ja zu mir gesagt, „im Zimmer gibt es keine Steckdose, aber hinten bei der Waschmaschine, da habe ich meins angesteckt“.

Auch heute alles rappelvoll in der Fußgängerzone, trotz sehr durchwachsenem Wetter. Bei einer Pizzeria wird gerade ein Platz frei, Willi steuert darauf zu, ich folge zögernd. Warum eigentlich nicht, denke ich mir. Irene aber sagt, „der Franz wollte doch zu einer anderen Pizzeria, suchen wir doch die, haben ja Zeit genug“. „Ok“, meine ich, „bin mir aber nicht sicher, ob ich die noch finde“.
Gesagt, getan, also weiter. Ein paar Seitengassen, geradeaus, ein Schild. Das könnte es sein, 200 Meter weiter, wir sind da bei der Pizzeria Il Pescatore.

Später schreibe an die Familie diese wahre Gutenachtgeschichte:

„Rein oder draußen bleiben? Eher draußen! Kaum gesetzt kommt ein starker Windstoß, der Blick zum Himmel verheißt nichts Gutes. Also doch in die Gaststube. „Alles besetzt“, meint der Kellner. Gerade wieder im Aufbruch winkt er uns zu einem separaten Raum „Notunterkunft“, nicht besonders schön, aber immerhin. Drei Tische stehen da, wir sind die ersten Gäste, draußen hat es zu regnen begonnen. Während wir die Bestellung aufgeben, kommt eine junge Familie mit zwei Töchtern, ca. 7 + 9 Jahre alt. Das ältere Mädel sieht mich an und fragt mich, „was habt ihr denn gemacht heute, ward ihr wandern“? Ich antworte, „nein, wir haben jemand im Krankenhaus besucht“. Auf meine Gegenfrage meint sie, „wir haben eine Kreuzfahrt gemacht, äh, nein, eine Schifffahrt auf dem Forggensee“.

Stille, alle essen. Als alle fertig sind, steht das Mädchen auf, kommt zu mir und gibt mir ein Stoffsäckchen mit drei kleinen Steinchen darin. „Das sind Glückssteine“ sagt sie, „die könnt ihr unter euch aufteilen“. Tun wir auch und sind perplex.
Schauen uns an und denken, das ist kein Zufall.
Irene erklärt der Familie wenig später, warum in unseren Augen Tränen zu sehen waren.

Weitere Nachricht an die Kinder:


Mama war am Nachmittag schon ein bisschen besser zu verstehen (Lautstärke) und konnte einige Male schmunzeln, mit einem Strohhalm trinken und stellte Fragen.

Zurück im Hotel erledige ich die restlichen Stornierungen, versuche Ordnung in das Kleiderchaos zu bringen und lese später „Hirschhausen“.

Ich kann bis Freitag in diesem Hotel bleiben!

06  04.08.2021  Mittwoch

Wieder aufstehen zur schon gewohnten Zeit, ich habe ja um 08:20 Uhr einen Termin bei der Teststelle. Um ca. 10:00 Uhr bin ich wieder im Krankenhaus und fülle an der Rezeption wie jedes Mal den Fragebogen aus. Die Dame die heute Dienst hat kennt mich noch nicht. Sie ruft in der Intensivstation an und berichtet mir; „Ihre Frau ist verlegt worden in die Station 3.1 und da ist Besuch erst ab 13:00 Uhr möglich“.
Ich muss sehr „verdaddert“ dreingeblickt haben, so das sie etwas Mitleid mit mir bekam. „Ich ruf mal bei dieser Station an und frage ob sie nicht doch kommen dürfen, sie wussten ja nicht dass ihre Frau verlegt wurde“, muntert sie mich auf. Und siehe da, ich darf rein.

Christa ist in einem Doppelzimmer, ihr Bett am Fenster, abgetrennt mit einem Raumteiler. Der Zimmernachbar ist ein ausländischer Mann. Was mich ein wenig erschreckt an diesem Besuch, ist die Tatsache, Christa kann sich an fast nichts mehr erinnern was ich am Tag zuvor erzählt habe. Weder der Besuch der Kinder, noch von Irene und Willi ist bei ihr hängen geblieben. Sonst aber ist sie schon frischer und denkt sogar an den Geburtstag von Andi, der heute 2 Jahre alt wird.

Heutige Nachricht an die Familie:

Mama ist heute umgezogen, raus aus der Intensivstation. Was ich auf der einen Seite bedauere (tolles Personal), auf der anderen Seite natürlich begrüße, da eine Rundumversorgung scheinbar nicht mehr notwendig ist.
Hatte eine Untersuchung beim Kardiologen, leider keine neueren Erkenntnisse.

Christa muss auf die Toilette und meint zu mir, „wenn du mir hilfst, schaffe ich das schon!“ Ich aber kann mir das gar nicht vorstellen und lehne ab. Hole stattdessen einen Pfleger der bald kommt. Auch dieser ist etwas skeptisch, lässt sie auf den Bettrand sitzen und etwas später aufstehen. Nur kurze Zeit darauf merkt Christa, das der Kreislauf doch noch nicht so mitspielt.

Heute kommt Adrian zu Besuch, auch er weiß das er nicht zu Mama ins Krankenhaus darf. Es gibt schon Kraft zu spüren wie die Kinder (mit Anhang), die Verwandtschaft und auch Freunde, für uns da sind. Fahren zur Tegelbergbahn und mit der hoch zum Tegelberghaus.
Trotz widriger Wetterverhältnisse – es regnet – ist der Parkplatz gut gefüllt. Beim Betreten der Bahn erkennt mich der Liftbedienstete trotz „Maske“ sofort wieder und reicht mir die Hand. „Bei der Fahrt zurück möchte ich mit ihnen sprechen“, sagt er.

In der kleinen Wirtsstube sitzen ein paar Leute, der „Kellner“ erkennt mich. Der Wirt ist im Vorraum sehr mit dem Telefon beschäftigt, nimmt uns gar nicht war. Sitzen dann am Tisch, geben die Bestellung auf, jetzt scheint er ein paar Minuten Zeit zu haben. Ich gehe auf ihn zu um in herzlich zu begrüßen und ihm zu danken.

Nach der Mahlzeit setzt er sich zu uns und es beginnt eine lebhafte Unterhaltung. Er berichtet über viele Einsätze die sie haben, Jahr für Jahr werden es mehr. Ich bewundere den Mann der das Leben meiner Frau gerettet hat, besonders weil sichtbar ist, er leidet unter einem Handicap. Auch die Medizinstudentin ist zugegen. Ich bitte alle, mit nach draußen zu kommen, um ein Foto zu machen. Die Gelegenheit nütze ich noch dazu für die Bergwacht eine Spende zu hinterlassen.

Eines ist gewiss, sobald es möglich ist, will auch Christa sich bei ihren Helfern persönlich bedanken.

Der Liftbedienstete zieht mich nach dem verlassen der Gondel zur Seite und entschuldigt sich bei mir. Ich weiß gar nicht warum. „Ich habe sie am Sonntag verwechselt“, sagt er, „ich dachte sie wären ein Arzt“. Noch immer ist mir nicht klar warum er sich deshalb entschuldigen muss.

„Ich habe sie gefragt, ob „sie“ überlebt hat, das hätte ich nicht getan wenn ich gewusst hätte, sie sind der Ehemann“.
Das hat dem guten Mann ein schlechtes Gewissen bereitet, er konnte ja nicht ahnen, dass ich das am Sonntag gar nicht richtig registriert hatte, da war ich in Trance.


Wieder zurück, Adrian fährt nach Hause, ich frage im Hotel an für eine weitere Verlängerung gleich bis Montag. „Leider nein, es ist alles ausgebucht“. So weiß ich, morgen muss ich mich auf die Suche nach einem neuen Quartier machen. Jetzt habe ich ja ein Auto, es darf also auch etwas außerhalb sein.

Noch mal ins Krankenhaus, Christa freut sich sehr als ich von unserem Besuch beim Tegelbergwirt erzähle. Reden so allerlei, ihr wird immer mehr bewusst was eigentlich geschehen ist. Die Merkfähigkeit nimmt zu.
Heute gibt es kalte Kost, habe noch genug im Zimmer. Man was bin ich müde, geschlaucht, glücklich, aufgeregt und froh. Morgen kommt kein Besuch, ich sollte auch so genug zu tun haben.

07  05.08.2021  Donnerstag


Wie schon die letzten Tage, Test heute um ca. 08:30, um 09:00 Uhr öffnet die Info. 3 Adressen werden mit ausgedruckt, bei zweien rufe ich an, die dritte, ein Hotel ist mir zu teuer. Leider nichts mehr frei ist jeweils die Antwort. Wieder rein in die Info, noch eine Adresse bekommen und siehe da, bei diesem „Pferdebauernhof“ kann ich unterkommen. Zwar ein Doppelzimmer und Etagendusche, letztere teile ich aber nur mit einer anderen Person. Zur Vermieterin sage ich, „ich werde heute so um 16:00 Uhr vorbeikommen“. Ich will den Weg dahin wissen, sind so ca. 10 Kilometer. Betone dabei noch, „das Zimmer nehme ich aber auf jeden Fall“. Habe auch noch gesagt das sich meine Frau im Krankenhaus befindet.

Ins Krankenhaus gehe ich heute erst um 13:00 Uhr, die restliche Zeit bis dahin verbringe ich mit „umräumen“, bzw. schon etliche Sachen ins Auto verstauen. Es wird auch Zeit Freunde und Nachbarn über die ganze Sache zu informieren.

Um 13.00 Uhr bin ich im Krankenhaus, aber keine Christa im Zimmer. Sie hat eine größere Untersuchung, ca. 45 Minuten sitze ich im Wartezimmer, gleichzeitig Tee- bzw. Kaffeeküche. Im Fernseher läuft die Olympiade, ich glaube es war ein Hockeyspiel.

CT Untersuchung, Ultraschall, alles Mögliche, sagt Christa auf meine Frage nach den Untersuchungen.  Was Ergebnisse betrifft, kann sie nichts sagen. Die Merkfähigkeit ist deutlich verbessert. Um 15.30 Uhr gehe ich wieder, habe ja einen Termin. Kaum will ich mein Hotelzimmer verlassen bimmelt mein Telefon, die Ärztin ist dran, ich solle doch bitte noch mal ins Krankenhaus kommen, zu einem Arztgespräch.

Natürlich eile ich sofort in die Klinik, wieder eine halbe Stunde warten. Dann die Eröffnung der Ärztin. Eine kleine Vernarbung sei zu sehen, welche auf einen früheren kleinen Infarkt hinweise, dieser muss aber nicht unbedingt bemerkt worden sein. Weiter sei es zu einem Kammerflimmern gekommen, welches  den Herzstillstand auslöste. Das kommt vor wenn die beiden Herzkammern nicht gleichmäßig arbeiten. Sie schlägt vor einen Defibrillator einzusetzen, mit einem zusätzlichen Draht zur linken Herzwand, die auch ein bisschen geschädigt ist. Sollten die Kammern oder die Herzwand wieder ungleichmäßig arbeiten, gibt der Defibrillator einen Stromstoß um das wieder auszugleichen.
Beide sind wir der Meinung, diese Operation durchführen zu lassen, das soll gleich morgen Früh der Fall sein. „Ca. 2 Stunden kann das dauern“, sagt die Ärztin.

Es wird 18:00 Uhr bis ich mein neues „Zuhause“ erreiche. Die Vermieterin, eine rührige 80 jährige Frau, erwartet mich schon. Im Wohnzimmer auf dem Tisch liegt die Tageszeitung. Die Frage ob ich der Mann von der Frau im Artikel bin, brennt ihr auf den Nägeln. „Ja, der bin ich“, ist meine kurze Antwort. Ich hatte ganz vergessen, das der Notarzt ja mit Christa diesbezüglich telefoniert hatte.

Zwischenzeitlich hätte die gute Frau das Zimmer schon 3 x vermieten können. Ein Anrufer meinte gar, sie solle mir absagen, sie könnte das Zimmer schon heute vermieten. „Ich habe es ihnen zugesagt und dabei bleibt es auch, war meine Antwort“, erzählt sie stolz. Nach einer Stunde reger Unterhaltung treibt mich der Hunger in die Stadt. Finde ein „Schnitzelhaus“ und gönne mir ein riesiges Hawaischnitzel.

Habe heute Christa ihr Handy gegeben. Das fällt mir jetzt wieder ein. Ein Blick in die Rubrik „Familie“ zeigt, sie antwortet auf jede Nachricht. Da ein paar Adressen nicht in meinem Handy gespeichert sind, bitte ich sie, mir diese zuzuschicken. Nach ein paar vergeblichen Versuchen fällt mir ein; morgen ist die Operation! Die soll sich doch schonen! Auch Whats-App schreiben kostet Kraft und strengt an. Was bin ich blöd! Ich bitte sie, „bitte schone dich für morgen“.

08  06.08.2021  Freitag


An der Teststation kennen sie mich schon, der heutige Termin ist wieder so um 08:30 Uhr. Ich weiß ja nicht wann ich angerufen werde. Das Zimmer ist schnell geräumt, ich stelle das Auto auf den Parkplatz an der Klinik und warte. Eine halbe Stunde darf man da stehenbleiben, eine sehr kurze Zeit. Man kriegt aber an der Rezeption Scheine die man selber ausfüllen kann, dann kann man unbedenklich lange parken.
Vertiefe mich in mein neues Buch, das Lesen will mir aber nicht so recht gelingen. Das Handy fällt mir wieder ein, warum nur habe ich es ihr gestern schon gegeben, ob es Unregelmäßigkeiten gab? Wenn sie um 08:00 Uhr schon mit der OP begannen, müsste es jetzt 10:15 schon vorbei sein. Um 11:15 dann der ersehnte Anruf, die OP ist gut verlaufen, der Beginn der Operation hatte sich aber weit nach hinten verschoben. Darf erst um 13:00 Uhr zu Besuch kommen, jetzt ist aber sowieso Mittagszeit.  

Hatte eigentlich erwartet, dass Christa wieder in der Intensivabteilung liegt. Nein, sie ist auf Station 3.1, aber in einem anderen Zimmer, zusammen mit einer Frau. Diese beiden sollten sich sehr gut verstehen. Das „Teil“ wurde unterhalb des linken Schlüsselbeins eingepflanzt, größer als eine Zündholzschachtel, alles problemlos verlaufen. Ein daraufgelegtes „Sand- oder Eissäckchen“ soll ein verrutschen verhindern, der linke Arm natürlich nicht sonderlich bewegt werden. „Ca. 6 Wochen nicht über Schulterhöhe heben“, so die Anweisung der Ärzte.
Einige Rippenbrüche durch die Reanimation verhinderten sowieso die Bewegungsfreiheit von Christa massiv. So war auch das Liegen sehr eingeschränkt, fast nur Rückenlage. Schmerzen verursachten hauptsächlich Niesen, Schneuzen und Husten.

Mache ein paar Bilder von Christa im Krankenhausbett, eines davon darf ich dann doch verschicken. Das Echo war überwältigend.

Gehe nach dem Krankenhausbesuch in aller Ruhe zum Essen, wieder in eine Seitengasse wo es etwas ruhiger ist. Das Schild „Leberkäs mit Ei und Bratkartoffeln“ springt mich regelrecht an. Heute scheint die Sonne, es ist warm. Zurück zu meinem Auto und dann mit Sack und Pack umgezogen. Meine neue Herbergsdame wartet schon auf mich.

Es gibt viel zu erzählen, war das Hotel in dieser Beziehung anonym, was in den ersten 5 Tagen auch gut war, habe ich hier so etwas wie „Familienanschluss“. Ich nehme mir dabei schon die Freiheit mich zurückzuziehen, wenn es zuviel wird.
Beim Haus steht eine kleinere Kirche, deren Schlüssel hat Agathe, wir sind per Du. Sie bringt mir den Schlüssel und eine Kerze, die ich darin anzünden darf. Vielen lieben Dank dafür, dieses Angebot nehme ich gerne an.

09  07.08.2021  Samstag

Frühstück ab 08:00 Uhr, es eilt nichts mehr. Den Testtermin habe ich auf 11:20 gelegt. Heute will ich die Möglichkeit nützen, spazieren zu gehen. Habe mir eine Route in der Nähe ausgesucht, Agathe hat mir dabei einige Tipps gegeben. Wunderschön, bei herrlichem Wetter in der Natur zu wandern, mit unbekannten Bergen um mich herum. Blühende Wiesen, zwar auch überschwemmte Wege (hatte sehr viel geregnet), aber so ist es halt. Mit Pausen war ich 1 ½ Std. für diese 4,5 Kilometer unterwegs.

Jetzt aber ab nach Füssen, die Teststation wartet. Denke ich, 10 Minuten komme ich zu spät, sie sind schon beim Aufräumen. Samstags nur bis 11:30 Uhr geöffnet. Das ist aber alles nur halb zu schlimm. Heute kommt Stefanie zu Besuch und sie besucht Mama im Krankenhaus, es darf ja nur einer rein. Schlendere durch die Stadt, kaufe Getränke und parke später wieder mal am Krankenhaus. Stefanie kommt gegen 13:30 Uhr. Parkscheine geholt und der Dinge warten.

Kaffee und Eis nach dem Besuch sind obligatorisch und; heute ist die Kirchentüre wieder auf. Vergeblich versuchte ich die vergangenen Tage, wieder mal hineinzugehen. Herzlicher Abschied von Stefanie, leider war ihre Heimfahrt nicht so schön. Mehrere Gewitterfronten zogen mit Starkregen vorüber, die Straßen waren voll von Urlaubern. Gute 3 Stunden war sie unterwegs.

Kein Test wird an „meiner Teststation“ am Sonntag angeboten, so suche ich das Best Westernhotel auf, die bieten von 15.00 – 19:00 Uhr Tests in ihrem Hotel an. Sie sind ja 24 Stunden gültig, das passt. Kaum sitze ich im Auto, beginnt es zu regnen.
Am Hotel angekommen ist das Gewitter direkt über mir. Die 10 Meter zum Eingang gesprintet und gewartet, einige Leute nützen die Gelegenheit sich testen zu lassen. Zurück am Auto warte ich bis das schlimmste vorbei ist, bei diesem Wolkenbruch sieht man rein gar nichts mehr. Nach ca. 15 Minuten lässt der Regen nach, ich fahre gemütlich zu meinem Quartier.

In meinem Zimmer die üblichen Telefongespräche und im Wohnzimmer Unterhaltung mit Agathe. Der weitere Gast im Haus ist überwiegend mit seinem Sohn 5 ½ Jahre, oder mit sich und seinen Unternehmungen beschäftigt.

Heute schreibt Stefanie der Familie

Ich habe heute Mama besucht! Es war sehr schön und sie ist auf einem sehr guten Weg und sieht gut aus. Ich war etwa 45 Minuten bei ihr, die waren sehr emotional und schön.

Lasst uns weiterhin gedanklich ganz viele positive Gedanken, viel Liebe, Bussis und Umarmungen an sie schicken. Die helfen Mama wieder Kraft zu bekommen und gesund zu werden. Um bald auf REHA zu gehen und wieder nach Hause zu kommen.

Und sie hat eine ganz liebe Zimmergenossin, die meinte auf sie aufzupassen. Schau ma mal, wer auf wen aufpasst.

10  08.08.2021  Sonntag


Da nur am Nachmittag ein Besuch im Krankenhaus möglich ist, will ich heute Vormittag noch einmal auf den Kalvarienberg steigen, hoffe das das Wetter hält. Zeitdruck habe ich keinen, dank dem Test von gestern Abend. Wieder rege Unterhaltung mit der Hausdame, die sich wirklich rührend um mich kümmert. Als der Fernseher für den Jungen eingeschaltet wird, ist es Zeit meine Sachen zu packen und loszufahren.

Als Parkplatz kann ich den an der Klinik nützen, sie stellen mir gleich einen Schein für die ganze Woche aus. Dann haben sie ihre Ruhe von mir. Regenkleidung ist eingepackt, die dunklen Wolken verheissen nichts gutes. Einige Leute sind unterwegs, mein Wunsch nochmal Andrea zu treffen, erfüllt sich nicht. Diesmal stehe ich trocken auf dem höchsten Punkt, der Schwansee, Schloss Hohenschwangau und Schloss Neuschwanstein sind zu sehen. Beim Abstieg dann, wieder über den schönen Steig, beginnt es zu regnen. Da bin ich doch schon mal mit dem Schirm gegangen, denke ich mir, muss das sein?

Nun den unteren Teil der Strecke kenne ich noch nicht, muss ja wieder zum Ausgangspunkt zurück. Logisch, das ich bei dieser Strecke viel an besagten Sonntag denke. War da was anders als sonst? Eine Vorahnung spürbar? Ich muss sagen Nein: Christa war nicht anders drauf als sonst. Schmerzen am Rücken oder des Ischiasnervs hat sie auch sonst immer wieder mal. Bin um 12:30 Uhr wieder beim Auto, verzehre Bananen und Äpfel und sonstiges. Der Durst wird gestillt und die nassen Klamotten gewechselt. So bin ich wieder hübsch genug um meine Frau zu besuchen.

Bin etwas überrascht sie in ziviler Kleidung auf dem Bett sitzend anzutreffen. Das bedeutet, es geht von Tag zu Tag aufwärts. Sie darf auch schon alleine auf die Toilette gehen. Ihre Zimmerkollegin ist auch eine Frischluftfanatikerin, das Fenster steht Tag und Nacht offen. Gut das ich eine warme Jacke dabei habe, bin vom Wandern etwas ausgekühlt. Die Zeit vergeht wie im Fluge, man glaubt gar nicht was man alles zu erzählen hat. Die Merkfähigkeit hat zugenommen, ein paar Lücken aber noch vorhanden. Von Sonntag, Montag und Dienstag weis sie aber fast gar nichts, das scheint gelöscht. Kaufe im Anschluss noch im Supermarkt ein, heute gibt es kalte Kost mit viel Obst. Am Abend wieder viel bla, bla. Jean - der Junge -, war mit Papa in irgendeiner Ritterburg und hat da so einiges erlebt.

11  09.08.2021  Montag

Bei den Fahrten von Wies, so heißt der Ort wo ich “wohne”, nach Füssen, führt die Straße am Ufer des Weissensee`s vorbei. Ein landschaftlicher Traum. Den will ich heute zu Fuß umrunden. Starte schon um 09:00 gleich nach dem Frühstück, brauche wieder einen Test.

Die Sonne lacht, finde einen kostenfreien Parkplatz neben der Straße und los geht es. Vorsicht Radfahrer! Zumindest auf der Nordseite sind viele unterwegs.

Es blüht rundherum, die Berge spiegeln sich im Wasser, die Orte sind schmuck herausgeputzt. Wie schön wäre es, zu zweit genießen zu können. Und doch, wieviele Schutzengel waren uns behilflich, es hätte auch anders ausgehen können. Ich verlasse den breiten Weg am Ufer entlang, betrete den Steig der nach oben führt. Herrlich. Wieder ein Abzweig, noch weiter den Berg hoch mit schönen Ausblicken auf den See. Habe Zeit, weis da muss ich wieder zurück. Der Abstecher war es wert. Der Höhenweg ist leider mal zu Ende, es geht wieder direkt am Ufer entlang. Aber auch da wird ein Steig daraus, mit Wurzeln und Steinbrocken. Ein Pärchen mit Kinderwagen hat das unterschätzt, hilft alles nichts, sie müssen umkehren.

Pause auf einer Bank in Schilfnähe, nicht länger als notwendig. Wärend ich die Brotzeit vertilge, fressen mich die Mücken auf.

Wieder bei “meinem” Parkplatz an der Klinik, ähnlicher Ablauf wie gestern. Christa überrascht mich mit der Meldung “morgen werde ich entlassen”! “Juhuu, ich darf nach Hause”!

Uhrzeit? Erst nach dem Mittagessen. Darauf will sie nicht verzichten. Sie hat Rollbraten beim sehr humorvollen und liebenswerten Koch bestellt. Und das Essen ist wirklich hervorragend, das betonen alle.


Nach dem Besuch noch mal durch die schöne Fußgängerzone in Füssen flaniert, durch die Seitengassen gezogen, die Kirche besucht, dem Buchladen einen Besuch abgestattet. Diesmal sitze ich draussen im Garten bei der Pizzeria. Habe einen tollen Platz, etwas erhöht, ein “Boot” als Tisch. Die Familie mit den beiden Mädchen kommt natürlich nicht vorbei, die Erinnerung daran ist aber ausgeprägt genug.
Nochmal ein Eis, bevor ich mich auf den Weg nach Wies 2 mache. Hatte mit Agathe vereinbart bis Mittwoch bleiben zu können, egal wie sich alles entwickelt. So brauchte ich nur 2 zusätzliche Nächte. Sie hatte dadurch keinen Nachteil, im Nu war das Zimmer wieder vermietet.
Letzte Meldung aus Füssen

Ich fahre morgen mit Mama nach Hause. Juheia!! Bin jetzt beim Pizzaessen und suche alle “besonderen Kraftstätten” der vergangenen Tage auf. REHA ist beantragt, Zeitpunkt noch ungewiss.
Liebe Grüße, Paps

12  10.08.2021  Dienstag

Kein Test heute. Seit gestern gilt, bei Geimpften darf der Test 48 Std. alt sein. So habe ich etwas mehr Zeit, Ordnung in mein Caos zu bringen. In mein Auto hatte ich alles einfach kreuz und quer hinein befördert. Eine große Tasche musste ich freimachen um die Sachen von Christa verstauen zu können. So nach 45 Minuten war ich zufrieden mit meinem Werk. So kann ich „unter die Leute“ fahren, dachte ich mir.
Herzliche Verabschiedung, „darf ich dich drücken?“ fragte Agathe, „natürlich“, meine Antwort. „Wird da deine Frau nicht eifersüchtig“? meinte sie. „Ganz und gar nicht“. „Vielleicht kommen wir noch vorbei“. „Das würde mich sehr freuen“, dann ab die Post.

Noch kurz zum Supermarkt, bisschen Obst und Getränke für unterwegs gekauft. Bin um 11:00 in der Klinik. Tatsächlich kann sie noch Mittag essen, das Bett wird noch nicht gebraucht. Kurzes Arztgespräch. Marianne ist traurig, dass Christa geht. Die beiden hatten sich wirklich gut verstanden. „Wir sehen uns wieder“, sagen wir beide zum Abschied.

Fahren zu meinem Quartier, Agathe freut sich sehr darüber. Eine halbe Stunde ratschen, dann wird es Zeit. Fast drei Stunden brauchen wir mit Pause zur Heimfahrt. Das schlaucht ganz schön, noch dazu habe ich kein Navi im Auto. So muss Christa ein paar mal das Handy zur Hilfe nehmen.

Was sind wir froh, endlich zu Hause anzukommen. Und Opa, das er seine Tochter wiedersehen kann, er wurde nur Scheibchenweise von der ganzen Sache informiert. Seine Sorge war sehr, sehr groß.

Um 17:45 noch ein Termin beim Hausarzt in Wasserburg. Nochmal 1 Std. Aufregung. Es ist Christa anzusehen, sie ist kaputt, am Limit. Man funktioniert nur noch, merkt selber nicht mehr, wie fertig man eigentlich ist.

Zum Abendessen gibt es Gurken- und Tomatensalat, frisch aus dem “Wundergarten” von Opa. Man war das köstlich!!!


 
 
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