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Mo 27.08. Trinità -
Gaby jammert etwas bei frühen Ankünften im Quartier. Sie wisse nicht recht was sie dann machen solle, hat das Gefühl die Zeit verstreiche unnütz. So kommen Überlegungen auf, kürzere Etappen zu verlängern, bzw. Umwege zu gehen.
So etwas kenne ich von früher auch, glaubte etwas zu versäumen, nicht schnell genug voranzukommen, war unruhig, unzufrieden. Zwischenzeitlich habe ich gelernt, achte mehr auf den Körper, gönne im Pausen, kann auch mal „nichts tun“ genießen, man muss/darf es sich nur erlauben. In unserer schnelllebigen Welt ist das nicht mehr selbstverständlich.
Zwei Wege führen nach Palanfre, der Wirt gibt die Richtung vor, erst auf der Forststraße in den Wald, dann auf Steigen weiter. Sind überrascht bald auf Fels zu stoßen, Seile bieten an markanten Stellen halt. Halb im Schatten, halb in der Sonne, die Lichtverhältnisse sind für Fotos nicht ideal. Was so ein Fernwanderer nur für Wünsche hat, wird so mancher denken. Natürlich bin ich dankbar überhaupt unterwegs sein zu können, noch dazu mit Frau und dass nicht jeden Tag Bilderbuchwetter sein kann ist auch klar. Im Gegenteil, gerade die Unterschiede der Landschaften, des Wetters, der Leute, geben so einem Unternehmen den richtigen Reiz.
Serpentinen durch Gebüsch, durch niedrigen Wald und später über Wiesen. Wir haben das Grasdach des Caire di Porcera (1818) erreicht, der schwindelerregende Tiefblicke über die Felsfluchten bietet. Etwas abgelegen davon nützen wir ein sonniges Plätzchen zur Pause. Die Bergkette hinter uns überragt der Monviso mit 500 – 600 Meter. Nicht umsonst wurde er früher als der höchste Berg in Italien bezeichnet.
Wir steigen nochmal ca. 300 Meter durch lange und steile Grasflanken, die mit wilden Wacholderbüschen durchwachsen sind, weiter auf. Und erreichen den Colle della Garbella (2170). Setzen uns zu Gaby und Thomas die sich stärken und genießen die Stille und Ruhe. Später kommt noch ein Wanderpaar hinzu, Hannes und Petra, wie wir später erfahren.
Dürfen einige Zeit auf dem Grasgrat der Costa di Pianard weiterlaufen, ein Gedicht. Nach der höchsten Erhebung (2190) zieht der Pfad in weitem Bogen nach Nordosten in einen Alpkessel. Ist der Abstieg erst recht human, wird er später steil und schottrig, Vorsicht! Die Zeitangaben stimmen in etwa mit unserem Tempo überein, erreichen eine Forststraße und biegen in einen Waldlehrpfad ein. Christa kann`s nicht glauben, der Weg steigt an, aber nicht zu lange. Allemal besser als der Schotter vorhin und schon geht`s wieder abwärts. Noch ein paar Kehren, am Käserei-
Ein Superzimmer mit WC und Dusche! Wann gibt es Abendessen? „Der Chef – bestimmt das“, sagt die junge Mutter und deutet auf ihren wohl 6 Monate alten Sprössling. Eine Wahnsinnsplatte mit verschiedenen Käsesorten, Schinken und Salami wird aufgetischt. Sollen wir das alles essen? Kommen noch mehr Gänge? Etwas unsicher warten wir ab und es kommt tatsächlich Nachschub. Warme Teigschnitten und eine leckere Nachspeise.
Gaby hatte mich gebeten ja keinen Käse in der Käserei zu kaufen, sie hat schon einen als Geburtstagsüberraschung für Christa besorgt.
Di 28.08. Palanfre -
Gabi und Thomas, Petra und Hannes gratulieren zum Geburtstag, ich natürlich auch. Meine Blumen etwas spärlich, aber der schöne Stein dazu macht das wieder wett. „Aha, darum bist du gestern nicht mehr in die Käserei“, freut sie sich über das Geschenk der beiden. Gute Stimmung, ratschen viel, fachsimpeln über die weiteren Etappen. Gar nicht so einfach, da morgen eine harte Strecke wartet und je weiter wir heute gehen (auch im Aufstieg), desto weniger wird es logischerweise am nächsten Tag.
Wir folgen der Forststraße durch schönen Buchenwald immerwährend aufwärts, bis sie in einen Steig übergeht. Hannes und Petra überholen, bleiben aber bald darauf wieder stehen. Petra hat ein Problem, ihr Rucksack ist nass, eine Trinkflasche war wohl nicht richtig zu. Der Wald lichtet sich, macht Platz für knorrige Bäume und niedriges Gebüsch. Am Bachgraben entlang ins Alpgelände zur „obersten Weide der Region“, Kuhglocken sind zu hören, Schafe die laut blöken und das Gebell von Hunden. Das alles rechts von uns, hoffentlich müssen wir nicht genau da durch, denke ich mir. Nein, der zum Teil arg ramponierte Steig (wohl durch Tiere) verläuft nach links. Eine Ebene öffnet sich, Zeit für eine Pause, wir probieren gleich mal den leckeren Käse. Der Lago degli Alberghi (2038) wäre nicht weit gewesen, was soll`s, ist halt so.
Gaby und Thomas, später auch Petra und Hannes ziehen vorbei (die Wasserflasche war gebrochen, so war doch viel nass geworden und hat viel Zeit gekostet). „Gut das es heute sehr warm ist“, meinte sie beim Vorbeigehen.
Schon eine geraume Zeit rätseln wir, wo der Steig wohl die Felsen überwindet. Von hier kaum vorstellbar dieses Bollwerk, das sich wie ein Kessel ausbreitet, überwinden zu können. Die Spannung wächst, der Weg wird steiler und unangenehm schotterig. Bei diesen großen Gesteinsbrocken rutscht man immer wieder zurück, es ist mühsam vorwärts zu kommen. Später hilft ein Seil, besonders bei exponierteren Stellen. Aha, da ist der Übergang, die vier anderen stehen in der Scharte und winken uns zu. Kommen arg ins schwitzen, Hände und Füße haben gut zu tun, dann können wir aufatmen und zurückblicken, den steilen Steig entlang bis zum See.
Von hier (2274) quert der Weg in mit Fels durchsetzten Grashängen, weiter unten sehen wir Gaby und Thomas in der Wiese sitzen. Irgendwie habe ich da was verkehrt gelesen, hatte Bammel vor dem Abstieg, im Buch stand; „am Schlusshang rutschiger Schutt, exponierte Passagen sind gesichert“! Liegt aber schon hinter uns, es galt für den Aufstieg. Setzen uns zu den Zwei, teilen leckere Sachen und sagen tschüss, sie gehen weiter nach Limonette. Blaubeeren verleiten immer wieder zum Naschen, der Weg runter ist angenehm, bis sich eine neue Senke auftut, in der Kühe abgetrieben werden, der Fußweg ist blockiert. Versuchen das Ganze zu umgehen, aber nicht lange, strengt an, dann wird es uns zu steil. So reihen wir uns in die Kuhherde ein um bei der nächsten Gelegenheit wieder zu entfliehen.
Ein Abzweig führt zum Alpgebäude Gias Boero, von dort eine Fahrstraße talauswärts zur „Murmeltieralp“. Wieder einmal verwirren Kuhspuren unsere Orientierung, beim Alpgebäude springt plötzlich ein angeketteter Hund aus seiner Behausung und bellt fürchterlich. Christa erschrickt und stürzt. Nichts passiert, nur der Schreck, auch der reicht.
Frisches Wasser im Brunnen gekostet, weiter. Die Murmeltiere sind durch den Schreck vorher vergessen, es zählt das Vorwärtskommen. Ein kleiner Fehler bei der Wahl des Weges wird schnell wieder behoben, ein Schild zeigt die Richtung an, ein paar Kehren, das kleine Hotel Arrucador ist zu sehen. Überraschung; wir werden mit Deutsch empfangen, die Hausherrin ist Deutsche, bietet Getränke an und zeigt uns die sehr exklusiv gestalteten Zimmer.
"Flätzen" uns nach getaner Arbeit in die bequemen Stühle der Terrasse und genießen das Nichtstun. Ein überaus exquisites und leckeres Abendessen wird aufgetischt, Hannes und Petra leisten Gesellschaft.
Mi 29.08. San Lorenzo -
Lange haben wir überlegt wie wir weitergehen, a) gibt es Varianten, das entscheiden wir vor Ort, b) Etappenende im Rifugio Garelli, oder im Rifugio Don Barbera. Im letzteren lassen wir reservieren. Die Route zum Rifugio Garelli ist mit 8 Stunden reiner Gehzeit ausgeschrieben bei 1450 Höhenmetern, bei der anderen sparen wir 2 Stunden und 200 Höhenmeter.
Vorweggenommen; wir haben gut entschieden. Der Wirt hat uns noch Tipp`s gegeben und dabei meine App (Komoot) gelobt, ich war überrascht dass er das kannte. Bei traumhaftem Wetter mit ausgezeichneter Fernsicht stiefeln wir los, noch im Schatten der Berge im Zickzack zur Colle di Tenda (1871). Irgendwann springt die Sonne über die Bergkuppe und verwandelt mit ihrem gleißenden Licht die wunderbare Gegend.
Wir plagen uns umsonst einen steiler Grashang hinauf um mit Mühe die Straße darüber zu erreichen, der normale Weg wäre einfacher gewesen. Auslernen tun wir wohl nie! Auf Teerstraßen kommen wir dem Fort Central immer näher, erst die riesige zerstörte Kaserne, dann das Forte. Schaudernd denken wir daran, was die Soldaten damals wohl mitgemacht haben.
Ein kalter Wind pfeift, trotzdem lassen wir uns Zeit zum Schauen. Mittelmeer und Monte Rosa sollen von hier zu sehen sein, Monte Rosa ja, Meer nein. Es geht weiter in die Höhe zum Cima Beccorosso (2214), ein sehr schöner Steig. Unser Blick geht immer wieder nach unten, zum Tenda-
Pause an windgeschützter Stelle unterhalb des Cima Bessorosso und die Entscheidung wie wir weitergehen. Hannes und Petra wählen den Abstieg zur Passstraße, es ist ihnen zu windig, wir gehen obenrum. Ein Traum, das Forte Pepin schenken wir uns, laufen voller Elan und Inspiration den Höhenweg entlang und können uns kaum sattsehen.
Er verläuft langgezogen um den Cima de Becco und trifft am Col della Perla (2083) wieder auf die Straße, die von oben ständig einsehbar war. Vom Col della Boaria (2102) der nächste Aufstieg zur Colla Piana (2219). Bei der Querung der Fahrstraße grüßen einige Quadfahrer, auch große Geländewagen sind unterwegs. Wieder ein blühendes Eldorado mit Edelweiß durchsetzt. Wir glauben Thomas und Gaby vor uns zu sehen die zum Rifugio Garelli unterwegs sind. Die holen wir nicht mehr ein, zudem macht sich Hunger bemerkbar. Kaum zu glauben wo und was wir heute schon gelaufen sind, die Strecke hinter uns ist gut einsehbar.
Ab nach rechts zum Parco Naturale del Marguareis, ein Karstgebiet. Eindrucksvoll stechen die weißen Felsen aus den gelben Wiesen hervor, türmen sich Felsformationen auf.
Das erste Drittel zum Rifugio begeistert uns noch, dann schwindet so nach und nach die Kraft und wir sehnen uns dem Ziel entgegen. Noch liegt eine Stunde vor uns, unten in einer Senke weiden Kühe, bevor sie zu uns hochgetrieben werden, können wir die Stelle passieren, so geht es dahin, aus Tritt wird Trott, dann endlich ist das Rifugio zu sehen.
Einquartiert, es ist gut besucht, für morgen reservieren lassen, das übliche Programm.
Eine Ingolstädter Familie mit wohl 15 jähriger Tochter leistet uns beim Abendessen Gesellschaft, sie haben ihr Auto am Parkplatz oben.
Do 30.08. Don Barbero -
Petra und Hannes verabschieden sich, sie gehen einen direkten Weg nach Monesi Triora, wohl über das Rifugio San Remo. Vom Zwiebackfrühstück werden wir nicht unbedingt satt, da wird sich der Hunger heute bald melden, packen noch eine Jause ein, dann ab nach draußen. Die vielen Kühe und Kälber die uns gestern noch belustigt haben – einige sind immer wieder ausgerissen – sind schon nach oben gezogen. Relativ sanft verläuft die Furt nach unten, kaum zu glauben dass wir uns auf 2000 Metern Höhe bewegen.
Verschiedene Ebenen werden mal über flachere mal steilere Abstiege erreicht.
4 Wanderer kommen entgegen, um Kühen auszuweichen wechseln wir nach links hinter das Almgebäude und stoßen dabei auf einen Steig, siehe da, den hätten wir auch gehen können. Schmetterlinge und Heuhüpfer schwirren umher, die Wiesen sind übersät mit Blumen, Wasser plätschert neben uns. Eine kleine Schlucht durchquert, eine wesentlich größere öffnet sich, im Wald darin sind ein paar Häuser zu erkennen. Das Wetter nicht mehr so schön wie gestern, die Berggipfel in Wolken, die Sonne wärmt trotzdem. Pause? Ja, aber wo? Der Ort Carnino inferiore taucht auf, nicht unbedingt ein einladendes Bild. Einige Häuser bewohnt und viele leerstehend. Ich laufe eine Runde im Ort, Christa wartet derweil an einem ausgetrockneten Bachbett.
Der Ort Carnino inferiore taucht auf, nicht unbedingt ein einladendes Bild. Einige Häuser bewohnt und viele leerstehend. Ich laufe eine Runde im Ort, Christa wartet derweil an einem ausgetrockneten Bachbett. Dunkel, düster ist es hier, die Wildnis lässt kein Licht durch, etwas Modergeruch liegt in der Luft. Kein Ort wo man gerne Platz nimmt, also weiter. Und dann beginnt ein Steig der nicht mehr aufzuhören scheint, die eine Seite geht`s runter, die andere hoch. Nirgends Platz zum hinhocken. Ich merke wie sich Christa immer schwerer tut, bleibe stehen und setze mich einfach auf den Weg. Menschen sind sowieso keine Unterwegs.
Das war schon richtig so, es sollte noch weiter nach oben gehen, gestärkt tut man sich schon leichter.
Jetzt können wir die Urwald ähnliche Gegend genießen, nach 150 weiteren Höhenmetern (Passo Lagare 1746), bieten steile Felsabstürze Abwechslung und schöne Blicke ins Tal. Wir laufen nun in saftigen grünen Wiesen und links von uns überbieten sich bizarre Felsformationen, schroffe Flanken und Fluchten. Dumpfes Licht, es zieht immer mehr zu, verbreitet eine seltsame Stimmung.
Der Steig wendet sich nach rechts und gibt die ersten Blicke nach Upega frei, im dortigen Rifugio La Porta übernachten wir heute. Von den ersten verwinkelten Häusern leiten uns viele Treppen und Gassen durch den Ort nach unten, noch eine „Ehrenschleife“, dann stehen wir vor dem Posta Tappa, schlafen aber in der Locanda in einem schönen Zimmer.
Gaby und Thomas sind wieder da, sehr erschöpft, aber glücklich. Sie erzählen von 4 Wölfen die ein Tier gejagt haben. Leider hatten sie heute keine gute Sicht, der Nebel sei zwischenzeitlich sehr dicht gewesen, berichten sie.